Eine Verstrickung im Familiensystem oder eine Folge des Patriarchats?
Gedanken zu Geschlechtsdysphorie und Genderfluidität.

Nun hat es wieder einmal ein wenig länger gedauert, bis ich wieder einen Text veröffentlichen konnte. Einerseits hat dies mit mir zu tun, da ich in den letzten Wochen einiges loshatte, andererseits hat es aber auch mit dem vorliegenden Thema zu tun. Wir leben in einer Zeit, in der es in gewissen Kreisen besonders verpönt ist, wenn jemand sagt, er glaube, dass es lediglich zwei Geschlechter gibt. Vereinzelt habe ich auch schon Rückmeldungen erhalten, dass ein paar meiner Texte “ein wenig gewagt” gewesen seien und tatsächlich schwingt bei mir manchmal die Unsicherheit mit, dass ich falsch verstanden werden könnte. Denn ich bin mir bewusst, dass ich in manchen Themen eine Meinung vertrete, die nicht gänzlich der gängigen Meinung entspricht (gängige Meinung = die Meinung, die geht). Genau aus diesem Grund habe ich aber eigentlich angefangen zu schreiben: Ich finde, wir brauchen in unserer Gesellschaft unbedingt offene Debattenräume und eine lebendige Diskussion mit vielen verschiedenen Meinungen.
Den Auslöser für den vorliegenden Text gab ein Artikel, den ich vor ein paar Wochen gelesen habe. Hier wurde darüber berichtet, dass eine Uni-Klinik in Grossbritannien der Meinung ist, dass ein nach einer Hormonbehandlung künstlich erzeugtes Brustsekret bei Transfrauen so gut sei wie Muttermilch. Als die Klinik hierfür einiges an Kritik einstecken musste, stellte sie in einem Statement klar, dass der Begriff Muttermilch neutral gemeint sei und nicht geschlechtsspezifisch. Muttermilch. Geschlechtsneutral. Aha. Schon länger verfolge ich die Gender-Debatte mit einem gewissen Fragezeichen, da ich den Eindruck nicht loswerde, dass die Menschheit sich hier vielleicht in irgendetwas zu sehr verrennt. Und auch als Vater von zwei Kindern fällt es mir zunehmend schwerer, Aussagen wie “Muttermilch ist nicht geschlechtsspezifisch” einfach stehen zu lassen. Daher habe ich im Februar entschieden, dass ich den nächsten Text über das Thema der Geschlechterdiversität schreiben werde, und dies natürlich im Wissen darum, dass es aktuell fast kein schwierigeres Thema geben kann. Das Thema ist stark ideologisch aufgeladen, die Gefahr in ein Wespennest zu treten ist riesig und gerade online werden Aussagen in diesem Thema sehr schnell missverstanden und aus dem Kontext gerissen. Nun denn, ich habe mich entschieden, es trotzdem zu wagen, weil ich das Thema wichtig finde und mir auch gerne die Gedanken dazu machen möchte, um meinen Standpunkt hierzu aus der Perspektive “Teil der Natur” zu prüfen.
In einem Weltbild der Verbundenheit, welches sich bewusst gegen das Narrativ der Trennung stellt, gibt es grundsätzlich ja viel Platz für viele verschiedene Formen der Realität und die unterschiedlichsten Lebensentwürfe. Gleichzeitig gehört für mich zum Narrativ der Verbundenheit aber eben auch eine starke Naturverbundenheit, das Einordnen in den Fluss des Lebens sowie eine starke Demut gegenüber den Kräften und Zyklen der Natur. Aus dieser Perspektive heraus bin ich gegenüber den Phänomenen der Genderdysphorie nicht per se kritisch, jedoch öffnet das Weltbild der Verbundenheit für mich hier nochmal andere Deutungsansätze, als jene die aktuell öffentlich besprochen werden. Und entsprechend auch andere Optionen, wie mit diesen Phänomenen umgegangen werden könnte. Phänomen verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht als aussergewöhnliches Ereignis, sondern im Sinne der Erkenntnistheorie als wahrnehmbare Erscheinung oder erlebtes Ereignis. Die Phänomenologie, also die Erkenntnisgewinnung über unmittelbare Erscheinungen, stellt aus meiner Sicht eine genauso wertvolle Methode im Erkenntnisprozess dar, wie die klassisch wissenschaftliche Methode der Ergründung kausaler oder signifikanter Zusammenhänge. Entsprechend ist für mich klar, dass es Transidentität und Genderfluidität gibt, weil diese Phänomene ja beobachtbar sind und erlebt werden. Für mich ist jedoch nicht stimmig, wie diese Phänomene im öffentlichen Diskurs eingeordnet werden und welche Schlussfolgerungen entsprechend gezogen werden.
Geschlechtsumwandlung in der Natur
Die Menschen, die meinen Blog bereits ein wenig länger verfolgen, können sich vielleicht vorstellen, wie ich mit meinem Glauben an naturzyklische Prozesse und an die Muster der Natur im Thema der Geschlechterfluidität denke: Ich glaube, dass es biologisch gesehen nur zwei Geschlechter gibt. So wie wir das in der Natur beobachten können, gibt es aus meiner Sicht das weibliche und das männliche Geschlecht und Leben entsteht, wenn sich die beiden verbinden. Natürlich können wir dabei die Begriffe “männlich” oder “weiblich” auch weglassen, wir brauchen dann aber immer noch Individuen, die Samenzellen produzieren und Individuen, die Eizellen produzieren, damit aus ihrer Verbindung neues Leben entstehen kann. Im Tier- und Pflanzenreich gibt es Arten, die ihr Geschlecht ändern, sich selber befruchten oder gar ohne Befruchtung fortpflanzen können. Diese Fähigkeiten verstehe ich als Spielart der Kräfte der Natur, da die entsprechenden Spezies diesen Wandel aus ihrer eigenen Kraft und ohne Zutun eines anderen Lebewesens vollziehen können. Die Geschlechtsumwandlung oder die Selbstbefruchtung dieser Arten sind damit als individuelle Strategien zu lesen, wie diese Spezies ihr Überleben sichern können.
Wenn es in der Natur Spezies gibt, die ihr Geschlecht von männlich zu weiblich oder umgekehrt ändern können, dann könnte man natürlich daraus schliessen, dass dies auch auf die Spezies Homo Sapiens zutreffen darf. Denn wir können diesen Wandel unterdessen ja auch insofern selbst vollziehen, als dass wir dazu keine Unterstützung einer anderen Spezies benötigen. Gleichzeitig benötigen wir jedoch die Unterstützung von spezialisierten Individuen unserer eigenen Art, wir können die Transition nicht allein vollziehen. Ein Clownfisch benötigt für die Transition jedoch keinen anderen Clownfisch, der ihn behandelt oder operiert. In seiner Art ist diese Möglichkeit bereits angelegt und die Transition setzt automatisch ein, sobald seine Geschlechtsumwandlung für das Überleben seiner sozialen Gruppe vonnöten ist. Der entscheidende Punkt ist für mich somit die Frage, ob die Geschlechtsumwandlung einer Art in ihrem eigenen Überleben dient, also eine durch die Evolution entstandene Überlebensstrategie darstellt. Beim Homo Sapiens, bei uns Menschen, stellt sich nun genau dieser Punkt aus meiner Sicht ganz anders dar als zum Beispiel bei den Clownfischen. Denn Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung vollziehen, haben oftmals in ihrem neuen Geschlecht keine Möglichkeit mehr, sich fortzupflanzen. Ich glaube daher aktuell nicht, dass Transidentität und Geschlechterfluidität dem Leben im Sinne des universalen Prozesses des Werdens dient, da die meisten Personen, die eine solche Transition medizinisch durchlaufen, ihre Fortpflanzungsfähigkeit verlieren. Die Transition dient dem individuellen Leben der betroffenen Person und wird deren Lebensqualität unter Umständen verbessern können, dem Prozess des Werdens auf unserem Planeten, dem Leben als solches dient sie jedoch nicht, wenn wir den Zweck dieses Prozesses darin sehen, dass er aufrechterhalten wird und das Leben weiter gedeihen kann (siehe auch meinen früheren Text „Was ist der Sinn des Lebens?“).
Ursachen von Genderdysphorie sind unklar - und auch die Behandlung?
Auf keinen Fall will ich mit diesem Text Menschen mit Genderdysphorie ihre individuelle Wahrnehmung absprechen. Wie ich oben über die Phänomenologie geschrieben habe, sind diese Erlebnisse für mich real, da sie als Phänomene existieren, also mit den Sinnen wahrnehmbar sind. Da wir als Homo Sapiens aber unser Geschlecht nicht wie manche Fische oder Reptilien aus eigenen Stücken ändern können und es sich als Überlebensstrategie für unsere Spezies insgesamt auch nicht auszahlt, wenn wir uns einer Geschlechtsumwandlung unterziehen, handelt es sich beim Phänomen, dass ein Mensch sich im falschen Körper fühlt oder sein biologisches Geschlecht nicht als für sich passendes Geschlecht erlebt, in gewissem Sinne um eine Entgleisung des Lebensprozesses. Die genauen Ursachen der Genderdysphorie sind nach wie vor nicht bekannt. Was hat wohl dazu geführt, dass diese Menschen sich so fühlen? Handelt es sich hier um eine Entgleisung im spirituellen Sinne, weil es viel zu viele Menschen auf der Erde gibt und der Kosmos die Seelen nicht mehr überall richtig zuweisen kann? Bereits Rudolf Steiner sprach etwa hinsichtlich der Inkarnation von der Möglichkeit eines “Rechenfehlers im Kosmos”. Oder entsteht die ganze Thematik der Genderfluidität erst damit, dass heute die geschlechterspezifischen Rollenmuster nicht mehr so stark vorgegeben werden? Schafft diese Leerstelle im Aussen einen Freiraum für eine eigene, innen gerichtete Geschlechterdefinition?
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, wie die non-binäre Person Nemo als 15-jähriger (damals noch als Junge) bei „Die grössten Schweizer Talente“ vor seiner Performance erzählt hat, dass „Nemo“ auf Lateinisch „niemand“ heisse. Seine Eltern hätten diesen Namen bewusst gewählt, denn wenn er niemand ist, könne er alles werden. Ich kenne die Familiengeschichte von Nemo nicht, aber es ist eindrücklich zu sehen, wie die Namensgebung scheinbar einen Weg geöffnet hat, auf welchem Nemo schliesslich insofern alles werden konnte, als dass dieses “alles” sogar jenseits von Kategorien wie Mann und Frau liegen kann.
Die Namensgebung bei Nemo dürfte wahrscheinlich auch mit der Geschichte der Familie Mettler (seiner Familie) zu tun haben. Denn auch wenn ich spirituelle Erklärungsansätze wie “Rechenfehler im Kosmos” interessant finde, dürften die Ursachen von Genderdysphorie aus meiner Sicht hauptsächlich in der eigenen Familiengeschichte liegen. Es könnte sich um eine mehr oder weniger direkte Auswirkung aus dem eigenen Familiensystem handeln. Auch die Luzerner Psychiatrie spricht davon, dass Genderdysphorie von “komplexen psychosozialen Einflüssen” geprägt sein kann. Eine umfassende psychologische Evaluation gehört daher zu jeder Abklärung dazu. Dennoch gab es in letzter Zeit vermehrt Kritik an der Art und Weise der Abklärungen. SRF Impact Investigativ berichtete im Januar, dass Eltern von Transjugendlichen die Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie in Zürich stark kritisieren und die Gesundheitsdirektion des Kantons aufgefordert haben, eine externe Untersuchung einzuleiten. Im Beitrag von SRF erzählen Eltern davon, dass alles sehr schnell gegangen und für Zweifel und Fragen der Eltern kein Platz gewesen sei:
„Innerhalb von 40 Minuten wurde die Diagnose gestellt, innerhalb zweier Monate gab es Testosteron und nach einem halben Jahr die erste Operation.“
“Die Diagnose Genderdysphorie wurde in der ersten Sprechstunde gestellt, für meine Zweifel und Fragen (als Mutter) gab es keinen Platz.”
„Nach 5min wurde mein Sohn gefragt, wie er als Mädchen heissen möchte.“
„Wir Eltern wurden nicht mit einbezogen.“
Die Fachpersonen hätten dabei Druck gemacht mit Suizidgefahr und die Eltern berichten, dass alles auf medizinische Massnahmen ausgerichtet gewesen sei, während auf weitere psychologische Themen nicht eingegangen wurde. Tatsächlich gibt es aus der Sicht der Medizin bei Kindern und Jugendlichen einen gewissen Druck, mit der Gabe von Pubertätsblockern zu starten, da ansonsten die natürlich einsetzende Pubertät die Geschlechtstransition erschweren könnte. In den sozialen Medien gibt es zudem unzählige Videos von Transpersonen, in denen gesagt wird, dass es schnell gehen muss. Die Herausforderung hierbei ist jedoch, dass es sich meist um Kinder handelt, die sich vor oder während der einsetzenden Pubertät in einer heiklen Phase ihrer Entwicklung befinden. Die Gefahr ist gross, dass medizinisch in den Entwicklungsprozess eingegriffen wird, bevor die psychologischen Abklärungen und Möglichkeiten umfassend genutzt wurden.
Interessant ist in diesem Zusammenhang der Bericht von Dr. Riittakerttu Kaltiala, einer finnischen Psychiaterin, die heute die sogenannte “Gender-Affirming Care” kritisiert, obwohl sie massgeblich bei der Verbreitung dieses Ansatzes mitgewirkt hat (siehe “Gender-Affirming Care Is Dangerous. I Know Because I Helped Pioneer It.”). Kaltiala berichtet, dass sie in ihrer Praxis nicht das gesehen hat, was das so genannte “Dutch Protocol” beschrieben hatte, obwohl die Erkenntnisse jener holländischen Studie aus dem Jahre 2011 international als Goldstandard im Umgang mit Genderdysphorie etabliert wurden. Zum einen seien nicht wie erwartet hauptsächlich psychisch gesunde Jungen in die Praxis gekommen, die seit frühen Jahren darauf bestünden, dass sie Mädchen seien, sondern 90 Prozent der Patienten waren Mädchen, die überwiegend schwere psychiatrische Erkrankungen aufwiesen und die Genderdysphorie erst in der Pubertät plötzlich angegeben hatten. Zum anderen kamen ab 2015 zunehmend Gruppen von Mädchen im Teenageralter aus denselben Kleinstädten oder Schulen in ihre Klinik, die alle dieselbe, offenbar einstudierte Lebensgeschichte erzählten. Entgegen den Erkenntnissen aus dem “Dutch Protocol” blühten diese Patientinnen mit der Vergabe von Pubertätsblockern und gegengeschlechtlichen Hormonen nicht auf, sondern ihr Zustand verschlechterte sich.
Andere Kliniken machten ähnliche Beobachtungen, jedoch fanden Studien kein Gehör, die diese Effekte aufzeigten. Vielmehr breitete sich die Praxis weltweit aus, dass Kliniken der Selbsteinschätzung der Transidentität folgen und der Transition nicht im Wege stehen sollten - die “Gender-Affirming Care” wurde zum internationalen Standard. Dies geschah gemäss Kaltiala nicht zuletzt auch aufgrund der wachsenden Bewegung von Gender Aktivisten. Denn Ärztinnen, Wissenschaftler oder Akademikerinnen, welche Bedenken äusserten bezüglich der Auswirkungen der medizinischen Geschlechtertransition junger Menschen, sahen sich Verleumdungskampagnen oder Drohungen gegenüber ihrer Karriere ausgesetzt.
Was Riittakerttu Kaltiala in ihrem Artikel beschrieben hat, wird unterdessen in Fachkreisen als “Rapid Onset Gender Dysphoria" (ROGD, plötzlich einsetzende Geschlechtsdysphorie) beschrieben, einer Art “Trans-Hype”, der folgende Merkmale aufweist:
Plötzliche Selbstdiagnose als trans während der Pubertät
Soziale Ansteckung in Gleichaltrigengruppen (Häufung der Fälle in Schulklassen)
Geschlechtsspezifische Diskrepanz (80% der Fälle sind Mädchen)
Sprunghafter Anstieg der Fallzahlen, der medizinisch nicht zu erklären ist
Sprache und Habitus der Trans-Teenager wirken schablonenhaft
Drei Viertel der betroffenen Jugendlichen waren schon wegen Ängsten, Depressionen oder Essstörungen in psychiatrischer Behandlung
Die US-Journalistin Abigail Shrier hat ein ganzes Buch über das neue Phänomen “ROGD” geschrieben (“Irreversible Damage”) und konstatiert einen Zusammenhang zwischen dem immer weiter zunehmenden Schlankheits- und Schönheitsdruck sowie dem daraus resultierenden Körperhass bei Mädchen. ROGD taucht zudem in einer Zeit auf, in der es um die psychische Gesundheit der Jugend nicht gerade gutsteht: In den USA werden gemäss Shrier die höchsten Angst- und Depressionsraten festgestellt, die je gemessen wurden.
Einige Expertinnen lehnen den Begriff “ROGD” jedoch auch ab, was aufzeigt, dass die fachliche Debatte läuft und im Thema kein wissenschaftlicher Konsens herrscht. Inzwischen scheint sich die Praxis der “Gender-Affirming Care” denn auch langsam wieder zu ändern. Kürzlich wurde zum Beispiel darüber berichtet, dass in England die Vergabe der Pubertätsblocker gestoppt werden soll und in der Schweiz hat der Grosse Rat im Kanton Bern im Dezember 2023 entschieden, dass geschlechtsangleichende Behandlungen nur noch bei volljährigen Personen zugelassen sein sollen.
Während ich an diesem Text gearbeitet habe, ist zudem die Neuigkeit erschienen, dass sich nun erstmals Institutionen aus 27 Ländern in einer Leitlinie darauf geeinigt hätten, wie mit Genderdysphorie professionell umzugehen sei. Der vollständige Bericht wird erst in ein paar Monaten veröffentlicht, ein paar Informationen wurden aber bereits bekannt. Aus meiner Sicht ist hierbei besonders erwähnenswert, dass der Umgang mit Pubertätsblockern anscheinend besonders kontrovers diskutiert wurde und sich die Institutionen daher darauf geeinigt haben, diese nur mit Vorsicht einzusetzen. Pubertätsblocker sollen demnach in Zukunft nicht mehr präventiv eingesetzt werden.
Aufhorchen liess Anfang März auch die Veröffentlichung von internen Gesprächsdokumenten des Weltverbands für Transgender Gesundheit (World Professional Association of Transgender Health, kurz WPATH). Die geleakten Dokumente sollen unter anderem enthüllen, dass viele trans-affirmative Ärzte wissenschaftliche Standards nicht einhalten. Der Ansatz des WPATH wird als “verbraucherorientiert” kritisiert und ihr Handeln entspreche eher politischem Aktivismus statt Wissenschaft. Eine umfassende Aufarbeitung der so genannten “WPATH Files” wird noch folgen müssen, die Veröffentlichung der Dokumente macht aber deutlich, wie stark politisch aufgeladen das Thema ist.
Generationenübertragungen als mögliche Ursache?
Es herrscht also sowohl politisch als auch fachlich Uneinigkeit, wie der Genderdysphorie am besten begegnet werden soll. Immer mehr Fachpersonen stehen der aktuell vorherrschenden Gender-Affirming Care kritisch gegenüber und auch immer mehr Eltern kritisieren die aktuelle Praxis (die in den USA gestartete Elterninitiative “Parents of ROGD-Kids” hat bereits seit 2019 einen deutschen Ableger). Noch stärker ins Gewicht fallen aber die Stimmen direktbetroffener Personen, die ihre Transition im Nachhinein bereuen. Ich habe bereits verschiedentlich Berichte darüber gelesen, dass es nicht einfach sei, über die eigene Geschlechtsumwandlung im Nachhinein kritisch zu sprechen und dass diese Stimmen teilweise auch unterdrückt werden. Der Bericht von SRF Impact Investigativ stimmt mich aber zuversichtlich, dass der Diskurs allmählich etwas breiter wird. Denn hier kommen insbesondere auch Personen zu Wort, welche die eigene Transition bereuen. So wird beispielsweise eine Person porträtiert, die als Mädchen geboren wurde, später jahrelang als Mann gelebt hat und heute wieder als Frau lebt. Sie wünscht sich Kinder, was körperlich bei ihr auch noch möglich sein sollte, jedoch bereut sie, dass sie ihre Kinder nie wird stillen können, da sie sich die Brüste operativ hat entfernen lassen. Besonders interessant finde ich ihre Schilderung, wie sie heute über ihren Wunsch, als Mann zu leben, denkt: Sie hätte einen Vater gehabt, der sich nie für sie als Mädchen interessiert habe - und habe daher selber alles Weibliche abgelehnt. Die Aussage einer weiteren Person, die sich als Trans geoutet, die Umwandlung dann aber nicht gemacht hat, klingt ähnlich: “Ich wollte meinen verstorbenen Vater durch mich weiterleben lassen und ‘der Mann im Haus‘ sein“.
Im SRF-Bericht werden weitere Stimmen erwähnt, die sich im Nachhinein wie folgt zu ihrer (geplanten) Geschlechtsumwandlung äusserten:
“Ich habe gedacht, als Mädchen wäre das Leben einfacher.”
“Ich dachte, wenn ich transitionere zum Mann, dann werden die Leute mich mögen.”
“Es kam sehr gut an, trans zu sein.”
Die oben erwähnte Dr. Kaltiala berichtet von Menschen, die ihre Transition im Nachhinein bereut haben und sagen, dass sie so überzeugt gewesen seien, dass sie die Transition brauchen, dass sie bei der Abklärung Informationen zurückgehalten oder im Assessment-Prozess gelogen haben. Der soziale Druck, insbesondere auch durch die sozialen Medien, dürfte also bei vielen Fällen eine Rolle spielen. Insbesondere bei den Fällen der “Rapid Onset Gender Dysphoria”. Das Beispiel des verstorbenen Vaters, der weiterleben soll oder des Vaters, der sich nicht für seine Tochter interessiert hat, deuten für mich jedoch auf das hin, was ich als eine zentrale Ursache von Genderdysphorie vermute: Bei der Verwirrung über das eigene Geschlecht könnte es sich um eine direkte oder indirekte Auswirkung eines Themas aus dem eigenen Familiensystem handeln. Neben unmittelbaren Erlebnissen in der eigenen Kernfamilie (z.B. ein Vater, der seine Tochter nicht sieht), könnten hierbei meiner Ansicht nach insbesondere Themen aus früheren Generationen eine wichtige Rolle spielen.
Die sogenannte “Mehrgenerationenperspektive” besagt, dass Familien über ein “Systemgedächtnis” verfügen, in dem Schicksale und Geschichten während rund 80 bis 100 Jahren gespeichert werden. Das bedeutet, dass nachkommende Generationen möglicherweise in Konflikte hineingezogen werden, die zwei bis drei Generationen zurückliegen und mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben. In der Regel wissen sie nicht einmal von diesen Themen. Ein wichtiger Auslöser für solche Generationenübertragungen stellen gemäss Diana Drexler bewusste oder unbewusste Ausschlussprozesse dar. Wenn Personen aus dem Familiensystem ausgeschlossen wurden (z.B. sogenannte “schwarze Schafe”) oder sehr früh verstorben sind, kann es vorkommen, dass Nachkommen sich auf deren Platz stellen und sie im System vertreten (“Identifikation mit den Ausgeschlossenen”). Eine besondere Form von Ausschluss stellen auch Geheimnisse (z.B. uneheliche Kinder) oder Traumata dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen Voraussetzungen Themen auf die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden, scheint zu steigen, wenn über die Geheimnisse nicht gesprochen oder Traumaerfahrungen nicht verarbeitet wurden.
Bei der erlebten Genderdysphorie könnte es sich unter Umständen also um eine alte Geschichte im Familiensystem handeln. Um eine Geschichte, die verdrängt wurde, eine Geschichte, über die nicht gesprochen werden durfte oder die zu brutal war, als dass man diese hätte verarbeiten können. Und interessanterweise finden wir im “Blutbuch” von der non-binären Autorenperson Kim de l’Horizon genau eine solche Geschichte: Der Grosstante der Hauptfigur ist etwas Unfassbares zugestossen - sie wurde von ihrem eigenen Vater missbraucht, wurde schwanger und anschliessend hat der Vater dafür gesorgt, dass sie aus der Familie verstossen wird.
Kim de l’Horizon ist sich der Existenz der Generationenübertragungen (auch: Transgenerationale Weitergabe) bewusst. Aber ist Kim sich auch bewusst, welchen Effekt die Geschichte der Grosstante im “Blutbuch” auf die Geschlechtsidentität der Hauptfigur gehabt haben könnte? Ich weiss nicht, ob sich die erzählte Geschichte tatsächlich so zugetragen hat (das Buch wurde als “autofiktional” bezeichnet), denkbar ist dies aber allemal. Und dass eine derart schreckliche Geschichte, ein derart unfassbares Geheimnis in einer Familie keine Auswirkungen auf das Familiensystem gehabt haben soll, kann ich mir nicht vorstellen. Selbstverständlich will ich Kim nichts unterstellen und das Blutbuch fand ich auf jeden Fall grossartig geschrieben. Ich bin kein ausgesprochener Literaturkenner, aber aus meiner Sicht hat es zurecht die Buchpreise in Deutschland und in der Schweiz gewonnen.
Es ist jedoch möglich, dass Kim aus der eigenen Familiengeschichte (falls sie sich wirklich so zugetragen hat, wie im Blutbuch dargestellt), die falschen Schlüsse gezogen hat und die Überwindung der Kategorien “Mann” und “Frau” in die Nonbinarität eigentlich in einem nicht überwundenen Trauma im Familiensystemgedächtnis gründet. Bei Transpersonen wäre im Sinne der “Identifikation mit den Ausgeschlossenen” aus meiner Sicht denkbar, dass sie versuchen den Platz einer gegengeschlechtlichen Person einzunehmen, die im Familiensystem ausgeschlossen wurde. Bei der Nonbinarität wäre denkbar, dass es sich um mehrere ausgeschlossene Personen handelt oder dass sich die Loyalität gegenüber einer ausgeschlossenen Person mit der Loyalität gegenüber der eigenen (andersgeschlechtlichen) Identität nicht verbinden lässt und entsprechend die Auflösung der Geschlechtlichkeit als Ausweg erscheint. In beiden Fällen ist zudem denkbar, dass es auch eine Folge eines Traumas sein könnte, welches im Familiensystem noch nicht verarbeitet wurde (z.B. im Sinne von „Wenn Männer so schlimme Dinge tun, dann will ich sicher kein Mann sein.“) Kim schreibt dazu im Blutbuch folgendes:
“Ich weiss nicht, wo ich anfange und wo ich aufhöre.” (S. 30)
“Ein Trauma zu vererben, bedeutet also, ein Auseinandergerissensein, ein Nichtverbundensein weiterzugeben, ein Fehlen von Gewebe.” (S. 133)
“Da ist eine Leere, und ich weiss nicht, ob es die meine ist. Vielleicht ist diese Leere ein Erbstück […]. Ich habe mein Leben lang gemeint, ich müsse unsere Leeren auffüllen, tragen, ertragen, weitertragen. […] Ich dachte, ich sei ein Ersatzkörper, in dem sich die fehlenden, die zu früh gestorbenen, die geopferten Leben ausleben können.” (S. 246f)
Aus “Blutbuch” von Kim de l’Horizon (siehe auch hier)
Das Problem bei der Hypothese der Generationenübertragung ist, dass in der psychiatrischen Abklärung sehr wahrscheinlich nicht erfasst werden kann, inwiefern die Schicksale der Vorfahren das Leben der sich in Abklärung befindenden Person beeinflussen. Gerade wenn die Ursache in verdrängten Familiengeheimnissen oder unaufgelösten Familientrauma liegen könnte, wirken diese ja unbewusst und lassen sich von der Klientin oder dem Klienten sowie in der Regel auch von den Angehörigen nicht benennen. Es wäre für die Abklärung also eine Methode erforderlich, welche in einem System womöglich vorhandene unbewusste Zusammenhänge sichtbar machen könnte. Eine Methode, mit der dies möglich ist, ist die systemische Aufstellungsarbeit, das Familienstellen.
Systemaufstellungen zur Analyse der “Verstrickungen” in Familiensystemen
Wie funktioniert nun also diese Aufstellungsarbeit? Wie soll das Familienstellen unbewusste Zusammenhänge im Familiensystem sichtbar machen können? Die Grundform ist in der Regel die folgende: In Familienaufstellungen werden von einer Klientin gemäss ihrem Anliegen zentrale Personen aus ihrem Familiensystem mit Hilfe von Stellvertretern im Raum aufgestellt. Diese können danach befragt werden, wie es ihnen an diesem Platz geht und das Erstaunliche ist, dass viele Klienten dann sagen “Genau so hat meine Mutter jeweils gesprochen” oder “Das ist typisch, mein Vater ist immer so abwesend”. Was die Stellvertreter wahrnehmen und empfinden, scheint also tatsächlich eine Information aus dem Familiensystem zu sein. Ich habe schon einige Male an einer Aufstellung teilgenommen und war zu Beginn noch unsicher, ob ich dann überhaupt etwas fühlen würde, wenn ich als Stellvertreter aufgestellt werde und hatte Angst, dass ich es falsch machen könnte. Ziemlich bald habe ich jedoch gelernt, dass ich bei der Aufstellungsarbeit wirklich darauf vertrauen darf, dass die Emotionen, Gedanken oder körperlichen Reaktionen, die ich als Stellvertreter in einem Familiensystem wahrnehme, nichts mit mir zu tun haben.
Mitte März habe ich seit längerer Zeit wieder einmal an einem Aufstellungsseminar teilgenommen und erneut habe ich die Wirkung dieser Methode auf eindrückliche Art und Weise erlebt: Einmal konnte ich mich kaum bewegen, einmal musste ich weinen, einmal hat mich alles überhaupt nicht interessiert und einmal hatte ich als Stellvertreter sehr starkes Herzklopfen. Diese sehr unterschiedlichen Empfindungen kann ich unmöglich selbst produziert haben. Ich bin fest überzeugt: Die Aufstellungsarbeit ermöglicht auf faszinierende Art und Weise Einblick in ein Familiensystem und was die Stellvertreterinnen und Stellvertreter während der Aufstellung empfinden, ist Teil dieses Systems. Dieses Phänomen wird auch als repräsentierende Wahrnehmung bezeichnet und was mich besonders fasziniert, ist dass diese manchmal auch schon beginnt, bevor eine Person von der Klientin mit dem Anliegen überhaupt als Stellvertreter ausgewählt wird. Das starke Herzklopfen, das ich oben erwähnt habe, hat zum Beispiel bereits begonnen, bevor ich ausgewählt wurde in die betreffende Rolle zu stehen. Und in einem anderen Fall kamen mir bereits während der Anliegenklärung Gedanken, dass mich diese Geschichten über die Mutter der Klientin überhaupt nicht interessieren, also noch einige Zeit bevor überhaupt die Stellvertreter für die Aufstellung ausgewählt wurden, um mich dann später als Stellvertreter des Vaters der Klientin in der Aufstellung wiederzufinden und dieses Desinteresse erneut zu spüren. Der Eintritt in das Feld, die repräsentierende Wahrnehmung, kann also bereits beginnen, bevor die Klienten die betroffenen Personen überhaupt als Stellvertretende ausgewählt haben.
Viele Personen sind kritisch gegenüber der Aufstellungsarbeit, weil sie nicht glauben können, dass auf diese Weise Menschen tatsächlich zutreffende Aussagen über ihnen fremde Personen machen können. Woher sollen die das wissen? Soll das alles irgendein Hokuspokus sein? Meiner Meinung nach sind jedoch nur Menschen derart kritisch, die sehr stark in der Ratio und in einem linearen, kausalen Denken verhaftet sind. Denn es lässt sich tatsächlich nicht erklären, wie die Aufstellungsarbeit genau funktioniert. Die Phänomene, dass sie funktioniert, lassen sich aber eindeutig beobachten und erleben. Es ist ein wenig wie mit der Liebe: Kein Mensch kann wirklich erklären, weshalb es sie gibt und wie sie genau funktioniert, aber dass es sie gibt, können alle Menschen bestätigen, die ihr bereits begegnen durften.
In den Aufstellungsseminaren, an denen ich bereits teilgenommen habe, durfte ich erfahren, was in einem Familiensystem passieren kann, wenn eine Person aus dem System ausgeschlossen wird. Ich war bei mehreren Aufstellungen von Familiensystemen dabei, in denen es ein Kind gegeben hat, das entweder sehr früh gestorben ist oder weggegeben werden musste. Diese tragischen Ereignisse hatten vor allem dann fatale Auswirkungen auf die nachkommenden Generationen, wenn sie verdrängt wurden und wenn nicht darüber gesprochen wurde. Es scheint, als suchten sich dann die ausgeschlossenen “Seelen” wieder einen Weg zurück in das Familiensystem, damit sie wahrgenommen werden. Was in der Aufstellungsliteratur beschrieben wird, habe ich also als Stellvertreter oder Beobachter bereits miterlebt: Dass in den nachkommenden Generationen eine andere Person unbewusst den Platz einer ausgeschlossenen Person im System einnehmen kann. Diese Verstrickungen können auch als Loyalitätsthemen gelesen werden, denn eine Person übernimmt im Familiensystem die Rolle einer anderen Person und verhält sich in diesem Sinne ihr gegenüber loyal. Bert Hellinger, der die Praxis der Familienaufstellungen massgeblich geprägt hat, hat diese Loyalität oder Solidarisierung mit folgenden Worten beschrieben:
„Ich folge dir nach in den Tod oder in die Krankheit oder in das Schicksal.“
Aus “Anerkennen, was ist - Gespräche über Verstrickung und Lösung” von Bert Hellinger
Ich vermute also, dass es sich bei der Genderdysphorie eventuell auch um eine Verstrickung im Familiensystem handeln könnte. Daher müsste aus meiner Sicht die psychologische Abklärung zwingend das System der Herkunftsfamilie mit einbeziehen. Um diese These wissenschaftlich zu testen, bräuchte es eine grossangelegte qualitative Studie mit biografischen Interviews, um prüfen zu können, ob bei den Personen mit erlebter Genderdysphorie ein Loyalitäts- oder Solidarisierungsthema aus dem Familiensystem, also eine Generationenübertragung, vorliegen könnte. Hierzu müssten jedoch mehrere Personen der betroffenen Familien befragt werden, da die von Genderdysphorie betroffenen Personen unter Umständen gar nichts von den Personen wissen, deren Stellung im Familiensystem sie möglicherweise unbewusst einnehmen. Natürlich wäre es auch denkbar, eine wissenschaftliche Erhebung mit Hilfe der Aufstellungsmethode zu machen. Dies würde wahrscheinlich sogar weniger Aufwand bedeuten als eine qualitative Studie mit biografischen Interviews, gleichzeitig dürfte die Aufstellungsarbeit als phänomenologische Methode im aktuellen Wissenschaftsparadigma jedoch immer noch einen schwierigen Stand haben. Zudem befürchte ich, dass niemand ein Interesse zur Finanzierung dieser Studien hätte, da sich mit der Erkenntnis, dass es sich um die Weitergabe von Traumata oder um andersartige Verstrickungen im eigenen Familiensystem handeln könnte, kein Geld verdienen lässt. Ganz anders sieht es bei der aktuell gängigen Praxis der “Gender-Affirming Care” aus: Mit Geschlechtsumwandlungen lässt sich sehr wohl Geld verdienen, da die betroffenen Personen ein Leben lang Medikamente einnehmen müssen. Meiner Ansicht nach dürfen wir diesen monetären Aspekt nicht vergessen, wenn wir über wissenschaftliche Studien sprechen: Wer finanziert die Studie und aus welchem Interesse? Zum Beispiel sollte unterdessen hinlänglich bekannt sein, dass die Tabakindustrie Studien finanziert hat, die zum Ergebnis hatten, dass Rauchen nicht schädlich ist.
Meine Absicht hier ist nicht, dass ich suggerieren möchte, ich wüsste, was nun genau zu tun ist und hätte als fachfremde Person die entscheidende Lösung parat. Jede Person, die Genderdysphorie erlebt, hat ihre eigene Geschichte und wahrscheinlich gibt es ganz viele verschiedene Einflüsse, die in der Entwicklung dieser Geschichte bis zur Ausprägung der Genderdysphorie eine Rolle gespielt haben. Die Hypothese der Generationenübertragung sehe ich mitnichten als einzig mögliche Erklärung, sondern ich möchte lediglich darauf aufmerksam machen, dass sie zusätzliche, bisher vielleicht noch zu wenig beachtete Aspekte in der Abklärung und Behandlung von Transidentität und Genderfluidität darstellen könnte. Mit Behandlung will ich nicht sagen, dass diese Personen “geheilt werden müssen”, sondern damit meine ich die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft auf diese Phänomene reagieren.
Wir können heute auf jeden Fall erkennen, dass der Einsatz von Pubertätsblocker und damit auch die Gender-Affirming Care mehr und mehr kritisch betrachtet wird, dass in der Schweiz die Arbeitsweise der Kinder- und Jugendpsychiatrie Zürich offen kritisiert wird und dass die Ursachen von Genderdysphorie ganz grundsätzlich immer noch im Dunkeln liegen. Als Vater von zwei Kindern ist es mir wichtig, dass unsere Kinder und Jugendlichen Zeit kriegen, ihre Identität zu finden, dass sie dabei behutsam begleitet werden und kein Druck aufgebaut wird, schnelle Lösungen für komplexe Empfindungen und komplexe Lebensprozesse zu finden.
LGBTQ-Bewegung als Folge des Patriarchats?
Die Frage, ob es nun zwei Geschlechter gibt oder nicht, wird zuweilen hoch emotional geführt und beide Seiten scheinen sich ihrer Sache hier sehr sicher zu sein. Aus meiner Sicht ist dieses Thema auch ein Ausdruck davon, dass unsere Gesellschaft immer noch Schwierigkeiten hat mit Männlichkeit und dem, was Männer in patriarchalen Strukturen angerichtet haben. Und die Diskussion zieht nicht zuletzt auch einen Graben durch die feministische Bewegung. Das Hauptargument der älteren Feministinnen: Für was haben wir Frauen denn jahrzehntelang gekämpft, wenn die Geschlechter nun abgeschafft werden sollen? Die Philosophin und Psychologin Sara Rukaj schrieb über diese Auseinandersetzung in ihrem Buch “Die Antiquiertheit der Frau” und kritisiert, dass in der Sprache des Queerfeminismus die Frau so stark nivelliert wird, dass am Ende gar nichts mehr von ihr übrig bleibt. Das leuchtet mir ein: Wen gesagt wird, dass es keine “Frauen” gibt, bedeutet dies gleichzeitig auch, dass es all die Diskriminierungserfahrungen nicht mehr gibt, die Frauen überall auf der Welt gemacht haben und immer noch machen. Sehr oft beziehen sich diese Diskriminierungen direkt auf den weiblichen Körper resp. dessen Gebärfähigkeit: Abtreibungsverbote, Zwangsverschleierungen, Genitalverstümmelungen. Wer sagt, es gebe kein biologisches Geschlecht, dem kann vorgeworfen werden, er kehre diese Probleme unter den Teppich.
Nicht nur der Feminismus, sondern auch Homosexuelle sind teilweise uneins mit der LGBTQ-Bewegung. “Lesbian” und “Gay” bilden zwar die ersten beiden Buchstaben des Akronyms, im Zweifel wendet sich der “LGBTQ-Mob” aber auch gegen Homosexuelle, wenn diese für zwei biologische Geschlechter einstehen (siehe z.B. der Fall der lesbischen Wissenschaftlerin Kathleen Stock). Homosexualität steht zudem eigentlich auch per Definition im Widerspruch zum fluiden Geschlecht, denn homosexuelles Begehren bezieht sich ja ganz konkret auf das eigene Geschlecht. Absurd wird es aus meiner Sicht erst recht dann, wenn Homosexuellen vorgeworfen wird, sie seien transphob, wenn sie nicht mit Transmännern oder Transfrauen eine Beziehung eingehen wollen. Das heisst, wenn zum Beispiel eine lesbische Frau keine Partnerin mit einem Penis möchte. Das geht mittlerweile so weit, dass viele junge Frauen sich lieber als queer statt als lesbisch bezeichnen, damit sie nicht transphob wirken.
Bezüglich der LGBTQ-Bewegung habe ich den Eindruck, dass es eine Bewegung ist, die sich insbesondere gegen Männer stellt, besser gesagt gegen so genannte “cis-Männer”, die auf Frauen stehen. Das aktuell geläufige Akronym “LGBTQIA+” steht für lesbisch, gay, bisexuell, trans, queer, intergeschlechtlich und asexuell sowie mit dem Pluszeichen für weitere Identitäten und Orientierungen wie zum Beispiel non-binär, genderfluid oder pansexuell. Schwule Männer werden also dazugezählt, genauso bisexuelle Männer oder Transmänner. Auch der Begriff “FINTA” (Frauen, inter, nonbinär, trans und agender) erweckt den Eindruck, dass diese Bewegung primär alles umfassen soll, was nicht männlich ist. Denn rein von der Definition her könnte es ja genau so gut “MINTA” heissen (Männer, inter, nonbinär, trans und agender) - denn das “INTA” hat mit Frauen eigentlich nicht mehr zu tun als mit Männern. Daher werde ich den Eindruck nicht los, dass die Bewegung sich nicht trennen lässt vom Patriarchat bzw. eine Folge des Patriarchats darstellt. Die John Hopkins Universität hat es vielleicht ungewollt ziemlich treffend beschrieben, als sie in einem Online-Glossar Lesbische Frauen als «A non-man attracted to non-men» bezeichnet hat. Aus meiner Sicht kann es kein gutes Zeichen für die Gleichberechtigung oder auch für die LGBTQ-Bewegung sein, wenn der Begriff “Frau” ganz weggelassen wird, der Mann aber als Referenzpunkt bestehen bleibt. Die Antwort auf die Frage, was eine Frau ist, kann ja wohl kaum “nicht ein Mann” lauten.
Wie schwierig es ist, diese Frage “Was ist eine Frau?” zu beantworten, zeigt der Dokumentarfilm “What is a Woman?” aus dem Jahre 2022. Der Autor Matt Walsh stellt in diesem Film verschiedenen Personen die Frage “Was ist eine Frau?” und erhält keine bis maximal sehr unspezifische Antworten. Ein College Professor antwortet zum Beispiel folgendes: “[Eine Frau ist] Eine Person, die sich als Frau identifiziert”. Das bedeutet somit nichts anderes als “Eine Frau ist eine Frau”, eine zirkuläre Definition, welche nicht wirklich eine Definition ergibt. Vielleicht kommt die Schwierigkeit, sich auf die Biologie zu beziehen resp. sich mit ihr auseinanderzusetzen aber auch daher, dass die Begriffe “Sex” und “Gender” nicht immer sauber unterschieden werden. Die Biologin Marie-Luise Vollbracht weist darauf hin, dass es vor allem im englischen die Tendenz gebe, “Sex” aus Prüderie zu vermeiden und stattdessen fälschlicherweise “Gender” zu sagen. Die Sache ist jedoch rein biologisch eigentlich klar: Fische haben kein Gender, sie haben ein Geschlecht. Gemäss Vollbracht ist die Idee eines dritten Geschlechts eine kulturelle Vorstellung, für die es keine biologische Grundlage gibt. Den Kampf gegen die Biologie erlebt sie als kontraproduktiv: “Wir müssen nicht die Biologie ändern, um gesellschaftliche Anliegen zu erkämpfen.”
Tatsächlich wünsche ich mir eigentlich auch, dass wir irgendwann gar keine Akronyme mehr brauchen, weil alle Menschen zur Menschheitsfamilie dazu gehören und rein aufgrund ihrer Existenz unsere Empathie bereits auf sicher haben. Wahrscheinlich braucht dies jedoch noch einiges an Zeit und gemeinsamer Arbeit, wenn nicht sogar tatsächlich die vielbeschworene Auflösung des Patriarchats. Denn die ganze Thematik der Transidentität könnte sehr wohl auch einfach die neuste Ausprägung des Patriarchats darstellen: Männer, die Frauen sein wollen, bedienen sich ihrer Errungenschaften und definieren, was eine Frau ist. Die Macht des Patriarchats zeigt sich auch in einer kuriosen Episode, als Meta (Facebook, Instagram) im Jahre 2023 seine Richtlinien bezüglich Nippel-Zensur angepasst hat: Bilder werden neuerdings nicht mehr gelöscht, falls sie als Kunst gelten, dem Stillen dienen oder nach einer Geschlechtsumwandlung gezeigt werden. Das heisst mit anderen Worten: Männer, die jetzt neu Frauen sind, dürfen ihre Brustwarzen auf Instagram zeigen, die meisten Frauen aber nicht. Es gibt auch Beispiele, in denen Frauen von der Transgender-Szene angegriffen werden (z.B. wurde der Internationale Frauentag auf Twitter von „Non-Binaries“ als „Fotzenfest“ verunglimpft). Interessant dabei ist, dass es vergleichbare Anfeindungen gegen Männer nicht gibt.
Dass ein Grossteil (80% der Fälle) der jungen Menschen, die eine Geschlechtsumwandlung vollziehen, Frauen sind, könnte ebenfalls ein Hinweis darauf sein, dass wir uns in diesem Zusammenhang ernsthaft mit den Folgen des Patriarchats auseinandersetzen sollten. Denn wenn wir noch einmal auf die These des “Rechenfehlers im Kosmos” zurückkommen, dann sollten die “falsch zugeteilten Seelen” statistisch gesehen ja eigentlich relativ ausgeglichen verteilt sein. Weshalb ist der Wunsch, das Geschlecht zu wechseln, bei Mädchen also so viel stärker ausgeprägt als bei Jungen?
Eine Kritik des Fortschrittglaubens
Was mir an meinem Text besonders wichtig ist und ich gerne noch einmal betone: Ich möchte nicht die Menschen kritisieren, die Genderdysphorie erleben und sich für eine Geschlechtsumwandlung entscheiden. Mir liegt es fern, diesen Menschen ihre subjektive Erfahrung abzusprechen und ich wünsche jeder Person, dass sie ihren Platz im Leben finden kann. Jeder Mensch sollte so leben können, wie es für ihn stimmig ist und ich denke, dass eine offene Gesellschaft viele verschiedene Lebensentwürfe unterstützen sollte. Vielmehr richtet sich meine Kritik und Auseinandersetzung in diesem Text gegen die Zuspitzung im öffentlichen Diskurs und in der medizinischen Praxis. Im Wissen, dass ich kein Experte auf diesem Feld bin, sehe ich die Praxis der Gender-Affirming Care bei Jugendlichen dennoch äusserst kritisch und wollte versuchen, mit der Hypothese der transgenerationalen Weitergabe von Traumata oder des loyalen Verhaltens gegenüber Ausgeschlossenen im Familiensystem eine zusätzliche Sicht auf dieses Thema anzubieten. Dazu kommt, dass gerade im sensiblen Alter der Adoleszenz “soziale Ansteckung” (Social Contagion) aus meiner Sicht nicht zu unterschätzen ist, da es in dieser Phase der Entwicklung grundlegend um Identitätsfindung geht (siehe z.B. das Stufenmodell von Erikson). Dass gerade in der Jugend bezüglich der eigenen Identität viel Verunsicherung herrscht, kann ich auch aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Ich bin froh, war zu meiner Zeit Genderdysphorie noch kein Thema, denn ich hatte schon so genug Schwierigkeiten herauszufinden, was “Männlichkeit” genau bedeutet und ob ich das überhaupt möchte resp. was für ein Mann ich werden möchte.
Bezüglich der Gender-Affirming Care bin ich auch hinsichtlich der Rolle der Pharma kritisch eingestellt und befürchte, dass hier nicht alle Interessen der Pharmaindustrie transparent auf dem Tisch liegen. Aus meiner Sicht ist klar, dass die Pharmaindustrie - genauso wie jede andere Industrie auch - blinden Flecken unterliegt. Den monetären Aspekt und den Anreiz, immer noch mehr Geld zu verdienen, sollten wir meines Erachtens insbesondere bei allen Grosskonzernen kritisch beobachten. In der letzten Woche wurde in den Medien zurecht das astronomisch hohe Gehalt von UBS-CEO Sergio Ermotti kritisiert (CHF 14.4 Millionen für neun Monate), aber auch das Jahresgehalt von Novartis-CEO Vas Narasimhan ist mit CHF 16.2 Millionen genauso unverschämt. Insbesondere in der Schweiz ist Kritik an der Pharmaindustrie aber schwierig, da diese jährlich rund die Hälfte des Schweizer Exportvolumens erarbeitet und rund 7% zum Bruttoinlandprodukt beiträgt. Das Zahlenparadigma und der einseitige Fokus auf ökonomische Aspekte sind meines Erachtens Ausprägungen des Fortschritts und der Moderne, welche noch viel zu wenig kritisch hinterfragt werden. Die Welt ist nicht aus Zahlen gemacht und dennoch regieren Zahlen die Welt.
Mein Text ist somit primär eine Kritik an unserem Fortschrittsglauben, in welchem die „Abschaffung des biologischen Geschlechts“ aus meiner Sicht eine vorläufige Spitze der Selbstüberhöhung des Menschen darstellt. Diese ist meines Erachtens Teil der spirituellen Krise, über die ich bereits mehrmals geschrieben habe. Dass wir losgelöst und frei von irgendwelchen biologischen Merkmalen selbst über unser Geschlecht entscheiden können sollen, sehe ich aus der Perspektive einer starken Naturverbundenheit kritisch. Ich glaube, dies ist auf der philosophischen Ebene eine weitere Ausprägung der Lossagung von Gott, jedoch mit der fälschlichen Annahme, dass wir selbst Gott sind, während ich das Göttliche vielmehr in den Kräften der Natur und des Lebens sehe. Auch wir Menschen sind somit Teil des Göttlichen, aber eben nicht Götter. Was für unsere Spezies ein artgerechtes Leben ist, bleibt für mich dabei die zentrale, viel zu sehr vernachlässigte Frage.
Am Thema der Genderfluidität entlädt sich in meiner Wahrnehmung nicht nur diese spirituelle Krise, sondern auch die vor allem in Teilen des linken Millieus sehr selektiv gelebte Toleranz und Empathie. Dass Menschen frei ihr Geschlecht ändern können sollen, aber Kritik an dieser Sichtweise nicht erlaubt sein soll, lässt sich aus meiner Sicht nur mit ideologischer Prägung erklären und eben nicht mit gelebter Toleranz und Empathie. Die Personen, die hier “canceln”, sind meiner Meinung nach Teil eines Glaubenssystems, ohne dass sie dies selbst als Glauben erkennen würden. Sie wähnen sich im Namen der Wissenschaft und des Fortschritts auf der Seite der Wahrheit und verkennen dabei, dass jede Form von Wissenschaft lediglich dem aktuell gültigen Paradigma folgt. In dem Sinne sind die laufenden Entwicklungen durchaus auch als normal zu betrachten, da die Welt als sich selbstorganisierendes System sich ständig erneuert und sich dabei selbst reproduziert. Ich gehe davon aus, dass früher oder später automatisch eine Selbstkorrektur in diesem System eintreten wird, befürchte jedoch, dass bis dahin in der Zuspitzung des aktuellen Paradigmas noch viel Leid entstehen wird. Gerade auch wenn man rückwirkend betrachtet, wie viel Zeit grosse gesellschaftliche Veränderungen in unserer Geschichte jeweils benötigt haben, dürfte auch das aktuelle Paradigma noch einige Zeit lang Bestand haben.
Dass diese Entwicklung in der Geschlechterfrage eine Übertreibung des Fortschrittdenkens ist, wird für mich unter anderem auch dadurch deutlich, dass vor allem sogenannte „Konservative“ in diesem Thema eher skeptisch sind. Ein wenig erstaunt stelle ich dabei fest, dass ich somit wahrscheinlich auch konservativer geworden bin, als ich mich früher noch gesehen habe. Selbstverständlich besteht aber auch bei mir die Möglichkeit, dass ich mich mit meinen Ansichten irre. Mir ist komplett bewusst, dass ich mich für die Recherche dieses Textes vor allem auf Quellen abgestützt habe, die meine kritische Sicht bestätigen. Als Psychologe ist mir bewusst, dass die Gefahr des “Confirmation Bias” (Bestätigungsfehler) auch bei mir relativ gross ist. Aber, und das ist schlussendlich der springende Punkt, dem ist eben auch auf der Seite der Befürworter der Gender-Affirming Care und der LGBTQ-Aktivisten so. Auch sie bedienen sich der Quellen, die ihre Sicht bestätigen und laufen Gefahr, dem Bestätigungsfehler zu verfallen.
Wie gelingt es uns also, gemeinsam Lösungen zu schaffen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, gemeinsam ein friedvolles Leben für alle zu ermöglichen? Persönlich glaube ich nicht, dass wir dafür zwingend eine gemeinsame Sicht entwickeln müssen. Vielmehr denke ich, dass gerade in solch hochkomplexen Fragestellungen wie der Gender-Debatte die Vielfalt und das Anerkennen der anderen Meinungen ein Weg vorwärts darstellen könnte. Von Matthias Varga von Kibéd habe ich kürzlich folgenden sehr weisen Satz gelernt:
“Absolute Werte schaffen Trennung, Unterschiedsbildung schafft Vertrauen.”
Matthias Varga von Kibéd, deutscher Logiker und Wissenschaftstheoretiker
Ich möchte mich immer wieder in dieser Unterschiedsbildung üben und bin mir bewusst, dass ich im vorliegenden Text vielleicht auch die eine oder andere absolute Aussage gemacht habe. Wie gesagt, ich bin noch am Üben und nicht zuletzt hilft mir dabei auch das Ausformulieren meiner Gedanken auf diesem Blog und die Reaktionen, die ich auf meine Texte erhalten darf.
Was denkst du zu den Thesen, die ich in diesem Text aufgestellt habe? Und wie erlebst du eigentlich die Gender-Debatte?
Salut Daniel,
sehr gerne.. Danke für Deine Reaktion.
Liebe Grüsse
Manuel
Salut Daniel,
danke für Deinen Text.
Dass man Aufstellungen nicht erklären kann, würde ich eher nicht sagen. Ich habe die Thesen von Rupert Sheldrake zu morphischen Feldern gelesen. Von da ist es nicht mehr so weit zu einer Erklärung.
Und dass die heutige Ausprägung der LGBTQ+-Bewegung viel mit dem Patriarchat zu tun hat, ist für mich plausibel, weil das Patriarchat uns ja stark geprägt hat. Entsprechend stark fällt auch der Widerstand aus. Dass sich die LGBTQ+-Bewegung vor allem gegen Männer wendet, würde ich nicht sagen. Schwule können auch sehr männlich sein und alles Weibliche abwerten, so auch eher feminine und feinfühlige Männer. Dies berichten Männer aus der Bewegung.
Und dann kann ich mir auch vorstellen, dass viele Menschen eigentlich zur Bisexualität neigen und dann aus ihrer Geschichte heraus sich "entscheiden". Zudem haben wir beide Pole (weiblich und männlich) in uns und können uns da genauso entscheiden. Dies kann aber sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Für die einen, ist es dann eine Tatsache. Für andere eine Entscheidung.
Mir gefällt die Haltung von Kim de l'Horizon (in einem Interview mit Migros Engagement):
Was stört Sie an der öffentlichen Wahrnehmung als nonbinärer Mensch?
"Ich glaube nicht an fixe Identitäten. Mir ist wichtig, dass wir wieder offen werden für neue Erfahrungen."
Was hält uns zurück?
"Unsere Kultur. Als Kinder haben wir noch grosse Lust und Freude, uns auszuprobieren, in andere Rollen zu schlüpfen, uns selbst zu spüren. Im Laufe der Kindheit trainieren wir uns diese Offenheit ab."
Meine Meinung dazu ist, dass wir mehr spielen sollten, Rollen ausprobieren. Vielleicht nur ab und zu, vielleicht als Lebensphasen. Dann müssten wir uns auch nicht mehr so ärgern und abwerten, wenn wer anders ist. Was in meinem Empfinden gar nicht hilft: Dass Dogmen aufgestellt werden und diese mit universellen oder göttlichen Gesetzen begründet werden (geschieht aktuell leider häufig in der spirituellen Szene). Wer dem nicht entspricht, wird als verwirrt bezeichnet. Mehr Intoleranz geht fast nicht. Und es wird ja dann faktisch ein Verbot ausgesprochen, sich auszuprobieren.