In den letzten Wochen habe ich nicht so viel ans Schreiben gedacht, wie in den Monaten zuvor. Und das hat einen guten Grund: Ich habe seit August ein neues Hobby. Am 1. August hat ein Freund von uns seine alte “Seemannshandorgel” hervorgeholt und das hat mich daran erinnert, wie inspiriert ich bereits zwei Jahre zuvor war, als er seine Handorgel ebenfalls mitgenommen hatte. Fasziniert von diesem Instrument, habe ich mir ebenfalls so ein Ding gekauft (was gar nicht so einfach war) und seither sehr viel gespielt. Für alle Nerds: Es handelt sich hier um ein diatonisches Akkordeon, ein altes Hohner Club Modell IIB Victoria. Für alle Nicht-Nerds: Damit lassen sich nicht alle 12 Halbtöne und somit nicht alle Tonarten spielen, sondern lediglich zwei Tonarten (bei mir B-Es), wobei die Töne auf Druck und Zug nicht gleich sind. Schon nur dieser kurze Nerd-Einschub lässt erahnen, wie gross hier das Rabbit Hole ist und ja, ich bin tief hineingefallen. Ich spiele nun seit über 20 Jahren ein Instrument (Gitarre und ein wenig Klavier) und mit fast 40 Jahren nochmal ein neues Instrument zu lernen, begeistert mich total. Und ich bin auch selbst überrascht, dass ich jetzt beim diatonischen Akkordeon gelandet bin. Bereits vor einem Jahr hatte ich nämlich ein Piano-Akkordeon gemietet (für Nicht-Nerds: Das sind die Dinger, welche eine Tastatur wie bei einem Klavier haben), da ich das Akkordeon schon länger ein faszinierendes Instrument fand. Irgendwie bin ich da aber nie recht reingekommen und obwohl es eigentlich naheliegend wäre, dass ich das Piano-Akkordeon erlerne, weil ich bereits ein wenig Klavier spiele, hatte ich irgendwie immer das Gefühl, dass doch eher ein Knopf-Akkordeon etwas für mich wäre.
Es hat nun seine Zeit gebraucht, bis ich hier den Bogen wieder gefunden habe und zu meiner eigenen Überraschung bin ich nun aber nicht bei einem chromatischen Knopf-Akkordeon gelandet (das wie ein Piano-Akkordeon alle Tonarten spielen kann), sondern eben beim kleineren, wechseltönigen, diatonischen Verwandten. Und damit auch bei der Volksmusik. Und als ich schliesslich meiner Mutter davon erzählt habe, hat sie mir gesagt, dass meine Grossmutter - ihre Mutter - ebenfalls ein diatonisches Akkordeon gespielt habe. Und dieses Akkordeon stehe sogar immer noch bei ihr im Schrank. Wie bitte? Was habe ich im Internet gesucht, um ein solches Ding zu finden (die werden heute in der Schweiz praktisch nicht mehr gespielt) - und dann steht genauso eines bei meiner Mutter im Schrank!
Ich habe meine Grossmutter nie spielen gehört oder kann mich zumindest nicht daran erinnern. Ich wusste zwar, dass von meiner Grossmutter noch ein Akkordeon da ist, dachte aber, es handle sich um ein chromatisches Knopf-Akkordeon. Nun glaube ich aber durch diese Wendung zu verstehen, weshalb ich mit dem Piano-Akkordeon nicht warm wurde: Ich glaube, dass ich hier wahrscheinlich unbewusst den Spuren meiner Grossmutter folgen wollte. Und schlussendlich auch gefolgt bin. Als ich diese Geschichte neulich einem Freund von mir erzählte, habe ich beim Erzählen selbst Hühnerhaut gekriegt. Gab es hier wirklich eine Verbindung von mir zu meiner Grossmutter? Das führt mich zum eigentlichen Thema dieses Textes: Einer Erweiterung des gängigen materiellen Weltbildes, ein Versuch die unsichtbaren Verbindungen, das Immaterielle zu beschreiben. Oder zumindest wie ich davon berührt werde und weshalb ich der Überzeugung bin, dass es auf unserer Welt und in unseren Leben viel mehr Verbindungen, Verknüpfungen und Verstrickungen gibt, als wir mit unseren Augen und Messmethoden sehen können. Und vielleicht auch, als wir wahrhaben wollen.
In der Geschichte mit dem Akkordeon meiner Grossmutter liegen zwei Bereiche drin, in der ich unsichtbare Verbindungen selbst erfahren habe und die mich bis heute unglaublich faszinieren: Die unsichtbaren Verknüpfungen und Einflüsse aus unserer Herkunftsfamilie sowie die Art und Weise, wie neue Musik entsteht. Über Verstrickungen in Familiensystemen habe ich im April bereits einen längeren Text geschrieben, daher möchte ich mich heute damit auseinandersetzen, wie neue Musik entsteht. Und weshalb dies vielleicht ein Widerspruch zum gängigen materiellen Weltbild darstellen könnte.
Wie kommt das Neue in die Welt?
Ich komme gleich zur Sache: Ich glaube, dass wir durch Musik kreative Felder und Energien erfahren können, die uns alle unsichtbar umgeben. Musik erreicht praktisch alle Menschen auf der ganzen Welt, Musik kann eine unglaubliche Kraft freisetzen, Emotionen transportieren, Gefühle auslösen, tranceartige Zustände hervorrufen, über schwierige Zeiten hinweghelfen. Doch wie kommt eigentlich neue Musik in die Welt? Woher kommt sie? Und ganz generell: Wie entstehen Ideen? Wie entsteht das Neue? Ich habe in meinem Musikerleben etwas über 70 Lieder geschrieben und ich habe mich immer wieder gefragt, wie das überhaupt möglich war. Bei vielen Liedern habe ich den Eindruck, dass das unmöglich ich geschrieben haben kann. Wenn ich die alten Aufnahmen höre, fühlen sich diese nicht fremd an, aber ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass ich diese Textzeilen und diese Melodien erfunden habe. Teilweise fühlt es sich eher so an, als hätten sie mich gefunden. Ich erinnere mich, wie ich manchmal die Zeit beim Musikmachen komplett vergessen konnte. Einmal ging ich um 20:00 Uhr in unseren damaligen Bandraum, um an einem Lied zu arbeiten und um 04:00 Uhr kam ich sprichwörtlich wieder zu mir. Ich konnte nicht fassen, wo nun diese Zeit hin ging. Ich war acht Stunden in diesem Raum! Ich hatte die Zeit komplett vergessen, die Zeit völlig anders wahrgenommen. Was ist hier passiert?
Als ich das erste Mal von der Theorie U von Otto Scharmer gehört habe, hat mich das sofort an meine Erlebnisse beim Musikmachen erinnert. Otto Scharmer hat sich für die Frage interessiert, wie das Neue in die Welt kommt und in unzähligen Gesprächen ist ihm aufgefallen, dass die meisten Menschen dabei von einer Art Ausholbewegung, von einem “in die Tiefe gehen” erzählen. Daraus hat er eine U-Kurve abgeleitet und beschrieben, wie in einer Folge von “Öffnen des Denkens”, “Öffnen des Fühlens” und “Öffnen des Willens” ein Zustand des “Presencings” erreicht werden kann. Ein Spüren der Gegenwart also (das Wort “Presencing” ist ein Gebilde aus den beiden Wörtern „Presence” und “Sensing”), eine Verbindung mit den Möglichkeiten, oder in den Worten Scharmers: eine Verbindung mit der Quelle.

Der Moment des Presencings wird in der Theorie U mit einem Flow-Zustand in Verbindung gebracht und damit geht einher, dass man oft erst im Nachhinein realisiert, dass man gerade in einem Flow-Zustand gewesen ist. Mit anderen Worten: Wenn man den Boden des U-Prozesses durchschritten hat und wieder aus dem Presencing “erwacht”. Genauso, wie es mir damals in unserem Bandraum ergangen ist. Die Theorie U gibt mir also eine mögliche Antwort auf mein Empfinden, dass ich all diese Lieder unmöglich selbst geschrieben haben kann. Denn vielleicht habe ich das ja auch nicht. Sondern: Diese Texte und Melodien sind durch mich auf die Welt gekommen. Ich habe mich dem kreativen Feld anerboten und indem ich mich mit “der Quelle” verbunden habe, konnte diese Musik entstehen. Oder vielleicht eben sogar: Aus einer anderen Welt in unsere Welt kommen.
Die erfolgreichste Musik fällt vom Himmel oder erscheint im Traum
Der Schweizer Rockmusiker Chris von Rohr hat einmal gesagt: “Songwriting bedeutet, sich ans Klavier zu setzen und zu warten, bis Gott durch das Zimmer läuft.” Ich glaube, das beschreibt ziemlich gut, worin ich mich in der Theorie U wiedergefunden habe. Ein Abtauchen, ein Spüren, ein Öffnen, ein Entstehenlassen. Ein anderes Beispiel aus dem Schweizer Musikschaffen: Büne Huber, Sänger und kreativer Kopf der aktuell immer noch erfolgreichsten Mundart-Band “Patent Ochsner” erzählt in einem Video auf Youtube, dass sein bekanntester Song “W’Nuss vo Bümpliz” in einer Viertelstunde entstanden sei. Als er fertig war, habe er sich gefragt, woher das denn jetzt kam - das könne doch nicht er geschrieben haben. Er sagt im Video Dinge wie “vom Himmu gheit” oder “ungloublech geile Flow”. Ähnlich erging es ihm beim Lied “Für immer uf di”, wahrscheinlich der erfolgreichste Patent Ochsner Song der letzten Jahre und derjenige, der von den neueren Veröffentlichungen das grösste Potential zum Klassiker hat (Die W’Nuss stammt ja bereits aus dem Jahre 1996). Auch hier spricht Büne von “vom Himmu gheit” und er sagt in einem Video-Interview, dass alle Ochsner-Songs, die zu Hits geworden sind, sehr schnell entstanden seien. Ich glaube, das muss man nochmal betonen: Diejenigen Patent Ochsner Songs, die am meisten Menschen erreicht und berührt haben, sind also alle sehr schnell entstanden. Wie geht das? Und wenn selbst ein Top-Musiker wie Büne Huber sagt, dass er nicht das Gefühl hat, seine Songs selbst geschrieben zu haben, wo kommen die dann her? Wem Büne Huber noch nicht reicht: Bob Dylan sagt übrigens dasselbe.
Ein anderer Berner mit sehr grossem Einfluss im Schweizer Musikschaffen hat vielleicht eine weitere Spur für uns geliefert, um die Funktionsweise kreativer Prozessen zu verstehen: Mani Matter hat in seinen als “Sudelhefte” veröffentlichten Tagebüchern geschrieben, man könne erst dann wieder fliessend Französisch sprechen, wenn man sich wieder angewöhnt habe, Französisch zu denken. Ähnlich sei es mit dem Schreiben: Warum fällt einem manchmal nicht die Spur von einem schreibbaren Gedanken ein, während zu anderen Zeiten tausende von Ideen entstehen? Matters Antwort: Weil man zuerst wieder dazu gelangen muss, in schreibbaren Gedanken zu denken. Ich persönlich habe das auf ähnliche Weise erlebt: Als ich noch aktiv Musik gemacht habe, sind mir die ganze Zeit Songideen zugeflogen, während ich unterdessen schon seit Jahren keine Idee für ein neues Lied mehr hatte. Dafür empfange ich jetzt aber ab und zu Impulse, um einen neuen Text für diesen Blog zu schreiben.
Ich bin fest der Überzeugung, dass man sich mit einem kreativen Feld verbinden kann, oder sich im Sinne der Theorie U von Otto Scharmer bewusst öffnen kann, um neue Ideen zu empfangen. Der Vergleich von Mani Matter mit dem Französisch sprechen passt für mich deshalb so gut, weil ich einmal einen Flirt mit einer Frau aus der Romandie hatte und dann tatsächlich oft innere Dialoge auf Französisch geführt habe. Ich habe also auf Französisch gedacht und das Sprechen fiel mir so leicht wie noch nie. Und ich habe manchmal sogar auf Französisch geträumt, genauso wie ich in meinem Sprachaufenthalt in Irland plötzlich angefangen hatte, auf Englisch zu träumen. Und in der Zeit, als ich intensiv Musik gemacht habe, habe ich manchmal neue Musik geträumt - nur konnte ich sie leider nie festhalten. Aber anderen Musikern ist das gelungen und das waren meist ihre erfolgreichsten Lieder. Das berühmteste Beispiel für ein Lied, das im Traum erschienen ist, ist wahrscheinlich “Yesterday” von den Beatles. Der Musikkritiker und Autor Ted Gioia schreibt auf seinem Substack, dass mit "Yesterday” und “Let it Be” zwei der erfolgreichsten Songs von Paul McCartney im Traum zu ihm gekommen sind. Und er nennt weitere Beispiele: Keith Richards hat das Gitarren-Riff für einen der bekanntesten Songs der Rolling Stones “(I Can’t Get No) Satisfaction!” geträumt, der grösste Hit von Sting kam im Traum (“Every Breath You Take”), ebenso der grösste Hit von Carl Perkins (“Blue Suede Shoes”). Besteht also die Möglichkeit, dass wir uns nachts im Traum ebenso mit jenem kreativen Feld verbinden können, aus dem das Neue entstehen kann? Und um den Gedanken von Mani Matter nochmal aufzunehmen: Kann man sich das angewöhnen, kann man bewusst dazu gelangen? Dazu passt auf jeden Fall, dass ich die letzten Wochen keine neuen Impulse zum Schreiben hatte: Ich hatte mich schlicht zu wenig damit beschäftigt, zu wenig dafür geöffnet.
Ich kann nicht beschreiben, wie dieses kreative Feld genau aussehen soll oder wo es ist. Für mich ist aber klar, dass es so etwas geben muss. Es gibt einen kreativen Ort, mit dem wir uns verbinden können. Vielleicht können wir es auch einen Möglichkeitsraum nennen, in welchem wir uns mit unserem grössten Potential verbinden können. Und die Qualität der Verbindung zum kreativen Feld könnte dabei in unmittelbarer Relation zur Qualität des Kunstwerkes stehen. Wie lässt es sich sonst erklären, dass die erfolgreichsten Songs in wenigen Minuten entstehen oder sogar im Traum zum Künstler finden können?
Musik und Visionen liegen nahe beieinander
In seinem Buch “Music to Raise the Dead” zieht Ted Gioia Parallelen von der Entstehung und Wirkungsweise der Musik zu der Indianischen Tradition der Visionssuche. So genannte “Vision Quests” sind auch heute wieder verbreitet, im deutschsprachigen Raum sind sie etwa als “Waldzeit” bekannt, und ich kenne einige Menschen, die sich auf diese oder ähnliche Art und Weise bewusst mehrere Tage angeleitet in die Natur zurückgezogen haben, um Klarheit oder neue Impulse zu wichtigen Fragen in ihrem Leben zu erhalten. Es geht bei Vision Quests kurz gesagt also darum, allein und an abgelegenen Orten Visionen zu empfangen. Genau dieses Muster finden wir auch bei den erwähnten Musikern, wenn zum Beispiel Büne Huber allein an seinem Flügel ein Überhit wie “W’Nuss vo Bümpliz” zufällt. Oder in der Legende des Bluesmusikers Robert Johnson, der angeblich an einer Kreuzung (“I went to the crossroads…”) dem Teufel seine Seele verkauft und im Gegenzug sein unglaubliches Gitarrenspiel erhalten hat. Die Kreuzung ist meiner Meinung nach hier metaphorisch zu lesen, zum Mythos der Crossroads gehört aber, dass man alleine und mitten in der Nacht an eine abgelegene Kreuzung ging, um den Deal mit dem Teufel einzufädeln. Nun, ich glaube nicht an die christliche Darstellung des Teufels und halte ebenso wenig von der Dichotomie von Gut und Böse, finde es jedoch bemerkenswert, dass sich der Mythos von Robert Johnson einer übernatürlichen Kraft bedient und ich stelle mir vor, dass diese genauso gut als göttlich hätte interpretiert werden können, wenn Johnson in einem anderen Milieu aufgewachsen wäre und eine andere Art von Musik gespielt hätte. Denn die “göttliche Kraft” seiner Musik ist unbestritten und sein Einfluss auf die Musikgeschichte immens: Chuck Berry, Bob Dylan, Rolling Stones, Eric Clapton, Fleetwood Mac, Led Zeppelin, AC/DC, John Mayer, White Stripes - und das sind nur die bekanntesten Namen.
Ein Zusammenhang zwischen der Kraft der Musik und der Visionssuche lässt sich also relativ leicht herstellen (nachlesen kann man das detailliert u.a. in “The Real Story of Blues Legend Robert Johnson's 'Deal with the Devil' at the Crossroads”) und auch der Zusammenhang von kreativen Menschen und Visionen ist von hier nicht mehr weit. Womit wir wieder beim Träumen wären. Denn Träumen ist wahrscheinlich die einzige Art von visionärer Erfahrung, zu der die meisten Menschen heute noch Zugang haben. Wenn wir heute über Visionen sprechen, landen wir nämlich bald bei Aussagen wie “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen” - für Unerklärbares und Magisches hat es im materiellen und rationalen Weltbild oft keinen Platz mehr. Gleichzeitig ist aber unbestritten, dass sehr viele kreative Menschen aus visionären Erfahrungen schöpfen. Nur wenige trauen sich jedoch, in der breiten Öffentlichkeit von ihren Visionen zu erzählen. Vielleicht trauen sich deshalb nur die erfolgreichsten Künstler, von ihren Eingebungen zu erzählen, da sie bereits eine gewisse Magie umweht. Die Büne Hubers der Schweiz, die Bob Dylans der Welt.
Ted Gioia schreibt auf seinem Substack über den Poeten William Blake, der bereits im Kindesalter Visionen hatte - und von seinen Eltern geschlagen wurde, wenn er davon erzählt hat. Denn Blake lebte in der Zeit der Aufklärung. Zur selben Zeit, als er seine Visionen hatte, schrieben Menschen wie Immanuel Kant vehement dagegen an, dass Weisheit durch Visionen oder Träume erlangt werden könne. Heute würde Blake für das Erzählen seiner Visionen wahrscheinlich nicht mehr geschlagen - aber, wer weiss, vielleicht psychiatrisch behandelt.
“If Blake has been born 200 years earlier, he would have been celebrated as a seer or saint or shaman. If he were born 200 years later, he would have been prescribed drugs to treat his schizophrenia.”
Ted Gioia in seinem Artikel “Are Visionary Artists Just Mentally Ill?”
Wir können nicht alles verstehen, aber wir können es als Geschenk annehmen
Ich will damit nicht sagen, dass wir die Aufklärung hinter uns lassen und wieder schamanistisch leben sollten - sicher nicht. Aber aus meiner Sicht ist es klar, dass das materielle und rationale Weltbild nicht erklären kann, wie kreative Prozesse genau funktionieren, wie neue Ideen entstehen. Keine andere Ausdrucksform kann derart berühren und magische Momente kreieren, wie die Musik. Kommt dies vielleicht davon, weil sie tatsächlich von etwas Magischem berührt wird? Meiner Meinung nach müssen wir gar nicht verstehen, wie das genau funktioniert, wenn einem Büne Huber ein neuer Hit zufällt. Aber ich finde, es würde uns gut tun zu akzeptieren, dass es so funktioniert. Oder so funktionieren kann. Natürlich ist nicht jedes Kunstwerk der Musikgeschichte auf diese magische Art und Weise entstanden, aber die sehr erfolgreichen oftmals eben schon.
Mich erfüllt das mit Demut, gerade auch, weil ich ähnliches auch schon erlebt habe in meinem kreativen Schaffen. Es gibt sehr vieles, das wir nicht verstehen können, das wir nicht fassen können, nicht beschreiben können, nicht berühren können. Und dennoch ist es da, dennoch ist es allgegenwärtig. Dennoch beeinflusst es unser Leben. Diesem Immateriellen, diesem Metaphysischen sollten wir aus meiner Sicht mit Demut begegnen und es als Geschenk betrachten. Das Leben ist ein Geschenk, wir müssen es nicht verstehen. Aber wir können es annehmen und uns in seinem Netz tragen lassen.
Was denkst du, wie das geht, wenn ein Lied “vom Himmel fällt”? Wie erklärst du dir, dass Musik uns derart berühren kann? Und hast du ebenfalls bereits magische Momente mit Musik erlebt?