Welche Technologie ist wirklich klimafreundlich?
Über das grosse Dilemma von grüner und nachhaltiger Umweltpolitik.

Es ist mehr als ein Monat vergangen, seit ich hier den letzten Text geschrieben habe. Der Grund ist schnell erklärt: Wir sind Mitte Juni umgezogen und ein Umzug als Familie mit zwei kleinen Kindern bringt viel Aufwand mit sich. Das hat meine Aufmerksamkeit in den letzten Wochen gerade ziemlich gebraucht. Zum Glück verlief aber alles wunderbar und wir haben uns bereits sehr gut in unserem neuen Heim eingelebt. Und wenn ich “unser neues Heim” schreibe, dann meine ich das auch wörtlich so: Dieses neue Heim gehört uns. Für mich ist es zuweilen immer noch ein wenig seltsam, Daniel den Grundbesitzer in mein Selbstbild zu integrieren, gleichzeitig fühlt es sich aber wunderbar an, dass wir unser Familiennest nach unseren Wünschen gestalten durften. Und die Vorstellung, dass unsere Kinder nun an diesem Ort aufwachsen und was wir hier wohl noch alles erleben werden, erfüllt mich mit grosser Dankbarkeit und Zufriedenheit.
Soweit mal die offensichtlichen Aspekte und Dinge, die man halt so fühlt und sagt, wenn man ein Eigenheim beziehen darf. Was mich gleichzeitig auch immer noch ziemlich beschäftigt, ist der ökologische Fussabdruck und die Nachhaltigkeit unseres Umbaus. Selbstverständlich haben wir versucht, die Entscheidungen während des Umbaus so nachhaltig wie möglich zu treffen, in dem wir etwa versucht haben, wenn immer möglich vorhandene Bausubstanz zu erhalten oder auf natürliche Materialen zu setzen. Und wie sich das in der Debatte um Nachhaltigkeit und Klimawandel aktuell ja so gehört, installieren wir auf dem Dach eine Solaranlage und hinter dem Haus eine Wärmepumpe. Damit wären wir ja eigentlich hinsichtlich der aktuellen Umweltpolitik auf der sicheren Seite. Trotzdem bleibt bei mir ein Unbehagen bestehen. Kann es überhaupt einen nachhaltigen Umbau geben? Kann es in der Haustechnik wirklich eine nachhaltige Technologie geben? Sind Photovoltaik und Wärmepumpen wirklich so grün, wie sie aktuell überall dargestellt werden? Ich befürchte, dass dem nicht so ist.
Solaranlage plus Wärmepumpe gilt zwar aktuell als klimafreundlichste Lösung, aber ich muss gestehen, dass ich keine Ahnung habe, wie diese Rechnung genau gemacht wird. Auch wenn ich versuche, mich zu informieren, erfahre ich wenig darüber, welche Stoffe genau darin verbaut sind und welche Ressourcen die Produktion einer Wärmepumpe effektiv verschlingt. Offen bleibt auch die Frage, welchen Einfluss eine Luft-Wasser-Wärmepumpe auf ihre unmittelbare Umgebung hat. Für mich ist klar: Es kann nicht kein Einfluss sein. Auch wenn wir gerne so tun. Genau so, wie ich mir nicht vorstellen kann, dass es keinen Einfluss auf die unmittelbare Umgebung gibt, wenn wir bei Erdsonden- oder Grundwasser-Wärmepumpen ein mehrere hundert Meter tiefes Loch in die Erde bohren oder das Grundwasser berühren, kann ich mir ebenfalls nicht vorstellen, dass Lebewesen und Mikrolebewesen in der unmittelbaren Umgebung einer Luft-Wasser-Wärmepumpe von den Vibrationen und dem Lärm der Ventilatoren nicht irgendwie beeinflusst werden. Ähnlich sehe ich es im Vierwaldstättersee: Hier gibt es seit kurzem die Möglichkeit, mit Seewärme zu heizen und ich habe gelesen, dass hierbei der Temperaturunterschied des in den See zurück gepumpten Wassers keine Rolle spiele, dass es keinen Einfluss auf Flora und Fauna gäbe. Ich kann mir das aber nicht vorstellen. Ob dem See Wasser entzogen und um ein paar wenige Grad kälter wieder zurückgegeben wird oder nicht, macht einen Unterschied. Ob wir ein mehrere hundert Meter tiefes Loch in die Erde bohren oder nicht, macht einen Unterschied. Und ob im Garten ein Ventilator mit 50 Dezibel brummt oder nicht, macht einen Unterschied. Auch wenn der Unterschied sehr klein sein dürfte, es wird ihn geben.
Ich will damit nicht sagen, dass wir diese Technologien nicht verwenden sollten. Wir haben uns schlussendlich auch für eine Wärmepumpe entschieden. Bei mir bleibt aber ein gewisses Unbehagen darüber, dass wir zum breiten Einsatz dieser Technologien noch gar nicht viel wissen können und dass diese schlussendlich nicht so nachhaltig sein könnten, wie wir heute meinen. Was ist, wenn diese Technologien auf das äusserst sensible Ökosystem der Natur einen negativen Einfluss haben, wir diesen aber erst sehr langsam und sehr verzögert feststellen können? Klar dürfte der Einfluss der fossilen Energieträger immer noch grösser gewesen sein. Aber mich stört, dass in der öffentlichen Meinung immer so getan wird, als hätten diese neuen Technologien gar keinen Einfluss mehr auf die Umwelt. Als seien sie komplett klimafreundlich, nachhaltig, komplett grün.
Eigentlich geht es hier meiner Meinung nach um ein Grunddilemma von grüner und nachhaltiger Umweltpolitik: Keine Technologie ist wirklich grün, kein Produkt ist wirklich nachhaltig. Denn am nachhaltigsten ist immer jenes Produkt, das nicht produziert wird. Am grünsten ist jene Technologie, die nicht gebraucht wird. Vielleicht ist meine Haltung hier ein wenig radikal, aber ich frage mich oft, ob es wirklich dem Klima hilft, wenn wir zum Beispiel alle Fahrzeuge elektrifizieren, oder ob dies nicht primär der Wirtschaft hilft. Denn richtig grün ist nicht, ein Elektroauto zu kaufen. Richtig grün ist, gar kein Auto mehr zu haben. Ich bin nicht der Meinung, dass wir mit Technologie-Einsatz die ökologischen Probleme auf dem Planeten lösen können, sondern dass wir als Gesellschaft vielmehr reduzieren sollten. Weniger Konsum, weniger Mobilität, weniger Energieverbrauch, weniger Wachstum. Weniger Umweltbelastung.
Bezogen auf die Haustechnik würde diese Haltung dann eigentlich bedeuten, dass wir gar keine Heizungen mehr einbauen und unsere Häuser so bauen sollten, dass sie keine zusätzliche Heizenergie mehr benötigen. Als ich mich mit diesem Gedanken zum ersten Mal auseinandergesetzt habe, war ich sehr erfreut zu sehen, dass es das bereits vielerorts gibt. Sowohl in meiner neuen Heimat Luzern als auch in meiner alten Heimat Simmental wurden bereits Häuser ohne Heizung gebaut. Und am beeindruckendsten fand ich ein Strohhaus im Zürcher Oberland, welches im Winter bei -10 Grad bis zu 25 Grad warm wird - und das ohne Heizung! Weshalb ist dieses Modell noch nicht bekannter, weshalb werden nicht noch mehr Häuser ohne Heizung gebaut? Ich vermute, dass es zumindest teilweise damit zu tun haben könnte, dass der Bau eines Strohhauses weniger Wirtschaftsleistung generiert und schlussendlich weniger Leute daran Geld verdienen können. Ich wiederhole nochmal meine Frage: Helfen wir mit unseren Massnahmen wirklich dem Klima oder helfen wir primär der Wirtschaft?
Beim Umbau unseres Chalets aus den 1930-er Jahren war es leider keine Option, das Haus so gut zu isolieren, dass wir keine Heizung mehr benötigen. Aber ich fand es sehr anregend zu sehen, dass ein Haus auch ohne Heizung auskommen könnte. Und das wäre dann meiner Meinung nach eine wirklich nachhaltige Heizung. Denn das Produkt, das nicht existiert, ist immer noch am besten für die Umwelt.
Ich bin mir bewusst, dass meine Haltung hierzu wahrscheinlich ein wenig unpopulär sein könnte und dass mir jetzt viele Leute sofort erklären könnten, weshalb Wirtschaftsleistung und Wachstum eben auch zur Nachhaltigkeit gehören. Und ich will auch nicht sagen, dass wir zurück in die Höhlen der Steinzeit ziehen müssten. Aber ich glaube, dass wir die anstehenden ökologischen Herausforderungen nicht ohne Verzicht werden meistern können. Und dass das eigentlich wirklich grün, wirklich nachhaltig wäre.
Wenn nicht nur ein Leben ohne Auto, sondern auch Häuser ohne Heizung heute bereits möglich sind, was sind weitere Produkte, die wir eigentlich gar nicht brauchen und damit erst richtig nachhaltig werden könnten? Auf was könntest du verzichten?
Danke für Deinen - aus meiner Sicht - differenzierten Text. Du skizzierst einige Dilemas an. Stefanie ging schon mit schönen Worten darauf ein in ihrem Kommentar. Beim Lesen Deiner Worte habe ich einen Impuls gespürt: Suffizienz. Für mich das eigenverantwortliche Handeln, welches die ökologische (und sehr wohl auch die ökonomische) Tragfähigkeiten anerkennt.
Das beschriebene Strohhaus (ich kannte das nicht) zeigt vielelicht auch, dass es sehr aufwändig und energiezerrend ist, etwas entstehen zu lassen, dass so im Standard nicht vorgesehen ist. Du musst Dir Infos beschaffen, Persönlichkeiten mit Expertiese suchen und gleichzeitig die Fähigkeit entwickeln, Aussagen und Informationen auf Plausibilität zu prüfen. Super anstregend, wo nehmen wir uns dann die Zeit dafür, wenn wir täglich im System-Rad unsere Runden drehen? Daneben gibts dann noch gesetzliche Grundlagen, die ohne Know-How nicht ohne Weiteres korrekt eingeordnet werden können. Ökologisch sicher eine coole Möglichkeit, ökonomisch wird es dann attraktiv, wenn ich den Wert meines Gegenübers erkenne und seine Fähgikeiten zu schätzen weiss. Vielleicht wie bei begnadenten Fotovirtuosen - warum 400 Franken für ein Shooting, wenn unsere Smartphones auch gute Bilder liefernˋ
Gelingt mir das, was ich auch irgendwie kritisch beäuge selbst umzusetzen? Ich weiss es nicht. Ich versuche in meinem Umfeld aktiv zu wirken. Die Herausforderung dabei ist, jeweils den Kontext zu berücksichtigen, ohne dass es gleich ein Fingerzeig in Richtung einzelner Menschen oder gesamter Menschengruppen wirkt. In erster Linie begegne ich meinem Umfeld mit Wertschätzung und Augenhöhe und anerkenne jegliche Schritte in Richtung Tragfähigkeit. Selbst bin ich in meinem beruflich 3-4x pro Jahr in Europa unterwegs. Hier wirke ich, in dem ich konsequent auf Zugreisen oder gemeinsame Autofahrten setze. Ein Verzicht auf Fliegen stösst in der Organisation spannende Denkimpulse an. Im Unihockey als Trainer im Leistungssport hat der Car natürlich seine Vorteile, was Zeit- und Reisekomfort angeht. Mit Nachwuchsteams versuche ich aber - trotz höherer Kosten - die Auswärtsspiele mit dem öffentlichen Verkehr zu erreichen und dass sie ihr eigenes Geschirr für das Essen nach dem Spiel mitbringen müssen.
Privat als Famile haben wir uns einer Gemüserei angeschlossen. Wir helfen einige Male pro Jahr im Garten mit beim Planzen, Ernten oder wintertauglich machen. Dafür erhalten wir wöchentlich einen Gemüsekorb aus einem Garten, der zirka 300 Luftmeter von unserem zu Hause entfern ist. Gemüse mussten wir seither niemer kaufen. Insgesamt glaube ich, damit den grössten ökologischen Impact zu erzielen, während die Junioren sich aktiv mit der Thematik auseinandersetzen dürfen, verküpfe ich ein gesellschaftliche Thema mit meiner Tätigkeit im Sport. Da fühle ich mich mitverantwortlich.
Aus dem Sport habe ich gelernt, aim small, miss small. Also statt auf das Tor im Fussball zu zielen, versuche das Netz zwischen Pofsten und Innenpfosten zu treffen. Ich nehme kleine Schritte und freue mich über den Fortschritt.
Merci für deine Gedanken. Ja, wirklich „grün“ ist „weniger“ und bedeutet Verzicht auf individueller Ebene. Wenn wir nur auf die Umwelt achten, können wir in der westlichen Welt nicht so leben, wie wir das heute tun. Wir leben heute in einem auf Konsum und Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystem. Dank diesem sind wir versorgt mit Nahrung und Elektrizität und Hygiene und Sicherheit und Bildung. Dieses Wirtschaftssystem des Kapitalismus hat uns eine hohe Errungenschaft gebracht - Stabilität und Frieden - und Wohlstand für viele - ich zähle mich zu den sehr Privilegierten. Das System hat hässliche Schattenseiten. Die Aufgabe unserer aktuellen Generation ist wohl, neue Systeme auszuprobieren - das wird nicht mehr so „gemütlich“ sein wie das Leben in den letzten 30-40 goldenen Jahren, denke ich. Wir werden zerrissen sein in den Spannungsfeldern, die du jetzt am Beispiel Hausbau beschreibst. Dauernd. Wir brauchen dafür einen offenen Austausch, Zusammenarbeit und die Bereitschaft für persönliche Veränderung. Und du und ich wissen: Persönliche Veränderung gelingt besser, wenn ich etwas selber steuern und entscheiden kann. Ohne Schmerz und Verzicht wird das aber nicht gehen, das wäre Augenwischerei - und nur die Technologie wird‘s auch nicht richten…. Du fragst, worauf ich persönlich verzichten kann: Fast Fashion, Schmuck und dergleichen. Was mich schmerzen würde: Kompletter Verzicht auf Reisen - auch auf Fernreisen. Da steht noch zuviel auf meiner Bucketlist….