Was meine Auftragslage mit Waldspaziergängen zu tun hat
Weitere Gedanken zum Thema "Mitlaufen mit der Natur".

Die letzten Wochen hatte ich sehr viel zu tun. Eigentlich schon fast zu viel. Gleichzeitig habe ich weitere Anfragen für Beratung erhalten und ich habe gespürt, wie mich das zunehmend gestresst hat. Wie viele neue Aufträge kann ich noch annehmen? Kann ich gleichzeitig den bereits vereinbarten Mandaten immer noch gerecht werden? Wer auch selbständig arbeitet, kennt diese Gedanken vielleicht. Ich habe mir schliesslich Zeit genommen, meine Kapazitäten für die nächsten drei Monate aufzuschreiben und eine Schätzung zu erstellen, was in dieser Zeit in den laufenden Mandaten noch ungefähr geleistet werden muss. Diese Übersicht hat mir die Klarheit gegeben, dass ich aktuell und bis auf weiteres keine weiteren Anfragen mehr annehme. Mein Kalender war zwar immer noch voll, aber ich habe gespürt, wie mich nur schon diese Entscheidung befreit hat. Und in den nächsten Tagen ist dann etwas Interessantes passiert. Kurz nacheinander wurden mir zwei Termine im April abgesagt. Das hat mich nicht beunruhigt, sondern vielmehr weiter zu meiner Entspannung beigetragen. Seither fühle ich mich bezüglich der Arbeitsbelastung so gut, wie seit Wochen nicht mehr. Aber was ist hier eigentlich genau passiert?
In den über sieben Jahren meiner selbständigen Tätigkeit habe ich nur selten meine Kapazitäten so genau berechnen müssen, wie ich das vergangene Woche gemacht habe. Meistens hat es sich einfach ergeben, dass ich genügend Arbeit hatte. Nicht zu viel, und auch nicht zu wenig. Ich bin sehr dankbar, dass immer wieder Anfragen an mich herangetragen wurden, ohne dass ich den Eindruck hatte, dass ich dafür viel tun musste. Denn mir graut es ehrlich gesagt davor, Akquise zu machen. Falls eines Tages die Quelle dieser Beratungsanfragen versiegen sollte, würde ich mich wahrscheinlich lieber wieder irgendwo anstellen lassen, statt krampfhaft um neue Aufträge zu kämpfen. Denn ich weiss nicht genau, wo diese Aufträge immer wieder herkommen. Ich weiss nicht, wie ich das erzwingen könnte, wenn ich denn müsste.
Aber ich glaube, ich habe unterdessen verstanden, dass es viel mit meiner Energie und meiner Aufmerksamkeit zu tun hat. Immer dann, wenn ich meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet habe, dass wieder etwas zu mir kommen mag, sind dann tatsächlich auch wieder neue Anfragen gekommen. Diese Aufmerksamkeit ist dabei nicht aktiv nach aussen gerichtet, sondern nach innen. Eine bewusste innere Entscheidung im Sinne von “Hallo Welt, ich bin da und stelle mich zur Verfügung”. Also nicht aus einem Gefühl der Knappheit heraus, sondern ein Schöpfen aus der Fülle. Seit dem Beginn meiner Selbständigkeit 2016 habe immer wieder solche Momente mit einer Häufung von neuen Anfragen erlebt, die ich mir schlichtweg nicht anders erklären konnte. Meistens, wenn ein grösseres Engagement zu Ende ging, kamen irgendwie wieder ein bis zwei grössere Engagements auf mich zu. Und wenn ich voll ausgelastet war, kamen meist keine neuen Anfragen mehr zu mir. Liegt das an der Energie, die ich in diesen Momenten ausstrahle?
Wie gesagt, in Richtung der Öffnung für neue Kontakte habe ich das schon einige Male erlebt. Nun scheint mir, dass ich das erstmals auch bewusst in die andere Richtung erlebt habe. Nach meinem Entscheid letzte Woche, keine neuen Aufträge mehr anzunehmen - den ich dann auch noch mit der Ablehnung einer neuen Anfrage und der Redimensionierung einer bereits laufenden Anfrage bestätigen musste - haben sich plötzlich in meiner Agenda wieder ein paar Fenster geöffnet. Und meine Einschätzung ist, dass dies durchaus nicht superdringende oder unbedingt notwendige Termine waren. Mir scheint, als ob da die Gegenseite irgendwie gespürt hätte, dass ich mich aktuell gerade ein wenig zurücknehmen möchte und sie dann ebenfalls eine Konzentration auf das Wesentliche vorgenommen hat.
Ich glaube, das hier eine Qualität zum Ausdruck kommt, über die ich bereits in einem vorherigen Beitrag zum Thema “Mitlaufen mit der Natur” geschrieben habe. Eine Anpassungsfähigkeit und Ausrichtung auf das, was vor sich geht in der Welt. Im ersten Beitrag habe ich geschrieben, wie das Mitlaufen mit der Natur primär in meinen bewussten Entscheidungen liegen würde. Im Anpassen der Ausrichtung meiner Aufmerksamkeit. Interessanterweise scheint sich nun beim Thema meiner Auftragslage aber eben auch mein Umfeld anzupassen, sobald ich mich angepasst habe. Sobald ich mich in einer inneren Klarheit neu ausgerichtet habe. Meine Entscheidungen haben also vielleicht viel grösseren Einfluss auf mein Umfeld, als ich mir das bisher überlegt habe. Überraschen würde mich das ja eigentlich nicht. Denn mit “Teil der Natur” geht es mir ja gerade um dieses Gefühl, dass da irgendwie viel mehr miteinander verbunden ist, als wir sehen können. Oder wahrhaben wollen.
Kürzlich hat mich ein Freund von mir gefragt, wie ich das denn mit der Familie und der Selbständigkeit machen würde, wie ich da immer genügend Arbeit hätte. Er arbeitet neu ebenfalls nur noch selbständig und wird bald ebenfalls zum zweiten Mal Vater. Ich weiss nicht, ob er mit meiner Antwort zufrieden war. Denn ich habe versucht, ihm das zu beschreiben, was ich oben zu beschreiben versucht habe. Dass ich den Eindruck habe, dass sehr vieles mit dem zusammenhängt, was ich in die Welt ausstrahle. Indem ich meine Interessen und meine Begeisterung teile, indem ich eine innere Klarheit ausstrahle, indem ich bereit bin, in Kontakt zu treten. Wenn mich jemand um Rat fragt, wie man als Selbständiger Aufträge erhalten kann, dann ist das eigentlich jeweils meine Antwort. Ich kann es nicht anders erklären. Und eigentlich bin ich froh, dass ich es nicht anders erklären kann, dass ich auch nicht genau weiss, wie das alles funktioniert. Ich bin einfach unglaublich dankbar, dass es für mich einen Platz gibt und dass es mir so gut läuft. Und mein wichtigster Beitrag dabei ist wahrscheinlich, eine innere Klarheit zu haben darüber, was ich tun möchte, was mein Angebot an die Welt ist. Und wenn ich das mache, antwortet die Welt dann irgendwie immer passend. Eigentlich verrückt, nicht?
Wenn du bis hierhin gelesen hast, wirst du dich vielleicht fragen, was das alles mit Waldspaziergängen zu tun haben soll. Nun, meiner Meinung nach geht es hier um eine gewisse Art der Wahrnehmung, um eine Achtsamkeit und bewusstes in Verbindung treten, das ich zum Beispiel auf Waldspaziergängen üben kann. Zudem ist mir die Idee zu diesem Text gestern auf einem ausgedehnten Waldspaziergang gekommen.
Dank dessen, dass sich wie oben beschrieben in meiner Agenda ein paar Zeitfenster geöffnet haben, konnte ich mir erlauben, endlich mal wieder einen ausgedehnten Spaziergang in den Wald zu machen. Ich habe das Gefühl, ich war in den letzten Monaten viel zu selten im Wald. Eigentlich mag ich das so sehr, einfach zu Hause loslaufen in Richtung Wald, den Übergang von den Wohngebieten zu den dünner besiedelte Gebieten, über Wiesen, über Waldränder in den Wald hinein bewusst zu erleben. Von der Zivilisation in die Natur und danach wieder zurück. Seit wir Kinder haben, komme ich aber viel weniger dazu. Gestern auf diesem Spaziergang wurde mir wieder einmal bewusst, wie sehr ich das geniesse und wie wichtig mir Spaziergänge und Wanderungen sind. Und dass das ja auch sehr viel mit “Mitlaufen mit der Natur” zu tun hat. Quasi “Laufen in der Natur”. Wobei “Laufen” im Deutschen oft schneller ist als in der Schweizer Mundart. “Gehen” oder “Spazieren” passen da vielleicht besser zu meinem Tempo.
Früher ging ich auch ab und zu Joggen. Interessanterweise musste ich mich aber manchmal fast ein wenig zwingen, mich zum Beispiel in einem Waldstück so schnell zu bewegen. Als ich mit Anfang Zwanzig wieder in Därstetten gewohnt habe - dem Dorf, wo ich die ersten 11 Jahre aufgewachsen bin - bin ich oft in das alte Weissenburgbad gejoggt. Dieser Ort hat auf mich seit der Kindheit eine grosse Faszination ausgeübt: Mir auf der wunderschönen Waldlichtung die Geschichte dieses einst grossartigen Kurhotels vorzustellen, runter zu steigen zum Bach, vorbei an der Stelle, wo einmal Tennisplätze waren. Und dass heute all das wieder verschwunden ist. Der besondere Geist dieses Ortes blieb aber erhalten. Ich habe mich oft an den kleinen Wasserfall gesetzt und bin dort ein wenig verweilt. Und wenn es dann Zeit war, mich wieder auf den Rückweg zu machen, kam es mir immer ganz komisch vor, dass ich jetzt wieder Joggen müsste. Das hat irgendwie nicht zur inneren Ruhe gepasst, die ich an diesem Ort gewonnen habe. Ich bin also sehr oft ins Weissenburgbad gejoggt und zurück spaziert. Es hat sich einfach nicht stimmig angefühlt, danach wieder zu rennen. Rennen kam mir dann jeweils wie stressen vor.
Wie verbringt man am besten Zeit in der Natur, wie läuft man am besten in der Natur mit ihr mit, wenn man sich bewusst als Teil der Natur erleben möchte? Mir scheint, dass viele Menschen, die in der Natur Sport treiben, diese vielmehr zu bezwingen suchen, als dass sie versuchen, mit ihr in Verbindung zu treten. Nicht nur das Tempo beim Joggen oder Mountainbiken wird meines Erachtens dem Wesen der Natur, zum Beispiel eines Waldes, nicht gerecht. Sondern gerade beim Biken erinnert mich auch die Ausrüstung der Sportler immer wieder an eine Art Kampfmontur. Natürlich könnten wir hier jetzt auch noch über andere Sportarten wie Klettern oder Bergsteigen sprechen, aber ich bleibe für mein Beispiel mal beim Wald.
Viele Menschen gehen mit Kopfhörern in den Wald. Als ich manchmal noch Joggen ging, habe ich das auch mal mit Musik versucht. Irgendwie hat das für mich aber gar nicht gepasst. Ich hatte das Gefühl, dass die Musik mich eher ablenkt oder sogar ausgrenzt von der Natur und dem Naturerlebnis. Vielleicht liegt aber auch genau darin der Sinn der Kopfhörer: Wenn ich schon im Wald renne und mich dadurch auch gar nicht voll auf sein Wesen einlassen möchte, dann erscheint es nachvollziehbar, dass ich mich auch noch mittels Kopfhörer dem Klang des Waldes verschliesse. Denn wenn ich keine Zeit habe - oder mir keine Zeit nehmen will - mich auf den Wald einzulassen, dann möchte ich ja auch nicht von seinen Klängen verführt werden, mich doch noch auf eine Bank oder einen Baumstrunk zu setzen und einfach nur zuzuhören. Denn zu hören gibt es so viel, wenn man nur mal genau hinhört. Das Rauschen der Blätter im Wind, vielleicht ein Knacken im Gehölz, das Plätschern eines kleinen Wasserlaufes, das Rascheln eines Kleintiers im Gebüsch, das Zwitschern und Singen der Vögel.
Wenn ich die Natur also voll erleben will, wenn ich meine Verbundenheit als Teil der Natur spüren will, dann darf ich nicht Musik hören, dann darf ich nicht rennen. Ich muss hinhören, ich muss hinsehen, mich langsam fortbewegen, aufmerksam beobachten. Mich anpassen. Mich einlassen. Natürlich ist es wahrscheinlich immer noch besser, im Wald biken oder joggen zu gehen, als gar nicht in den Wald zu gehen. Aber brauche ich wirklich Gerät, brauche ich wirklich Tempo, brauche ich wirklich Unterhaltung im Wald? Ich finde nicht. Das Bike, der Kopfhörer, die Geschwindigkeit, das alles trennt mich vielmehr von der Natur, als dass es mich mit ihr verbinden würde. “Mitlaufen mit der Natur” hat meiner Meinung nach viel mit Offenheit zu tun, mit bewusstem Erleben und Sinneswahrnehmung. Und natürlich mit Rausgehen in die Natur. Wenn ich im Wald spazieren gehe und mich auf ihn einlasse, dann kann ich hier eine Verbundenheit üben, von der ich auch in anderen Lebensbereichen profitieren kann. Und ich denke, das hat eben irgendwie auch damit zu tun, wie jeweils neue Aufträge zu mir finden.
Wann warst du zuletzt im Wald?
👌🏻 love it! Das ist genau der Grund, weshalb ich auch mit Pferd so gerne immer noch im Wald und in der Natur generell bin. Einfach mal nur komplett sich der wahnsinnigen Schönheit, den Geräuschen und Düften hingeben und Kraft daraus schöpfen. ☺️